Neben dem unterschenkelamputierten Südafrikaner zeigten aber auch die heimlichen Stars Leistungen auf höchstem Niveau. Nicht nur der Stadionsprecher hatte am Samstagnachmittag einen Narren an Sören Seebold gefressen. Mit sechs Jahren war er der jüngste Starter bei der IDM, von Nervenflattern aber keine Spur. Der kleine Sören vom RTB Bochum ließ sich auch nicht von der Überrundung auf der 800-Meter-Distanz irritieren, sondern spulte in seinem Rennrolli ganz cool seine zwei Stadionrunden runter und wurde, wie sich das für einen Star gehört, auf der Zielgeraden gefeiert. Sören Seebold erhielt den größten Applaus des Wettkampfwochenendes, sogar eine LaOla-Welle wurde ihm zu Ehren gestartet. Nach dem Zieleinlauf posierte der Youngster natürlich auch noch vor den zahlreichen Fotokameras.
Großer Aufmerksamkeit konnte sich auch Pistorius, der sich sein Startrecht bei den nichtbehinderten Leichtathletik-Wettbewerben erkämpft hat und nach der verpassten Norm für die Olympischen Spiele in Peking nun London in Angriff nimmt, gewiss sein. Seinen ersten Auftritt hatte „the fastest thing on no legs“ am Samstagnachmittag mit der 4x100 Meter Staffel. Als Schlussläufer ließ er der Konkurrenz nicht den Hauch einer Chance und raste über die Bahn – Endzeit: 43,16 Sekunden. „Wir haben nur zehn Minuten für die Staffel trainiert und trotzdem einen neuen südafrikanischen Rekord aufgestellt”, erklärte Pistorius nach dem Zieleinlauf mit einem verschmitzten Lächeln bevor er weiter fleißig seine Signatur auf die T-Shirts der kleinen Anhänger setzte und für zahlreiche Gruppenfotos zur Verfügung stand.
Knapp zwei Stunden darauf folgte der ebenso eindrucksvolle Start über seine Paradestrecke – die 400 Meter, die er in 47,76 Sekunden zurücklegte. In Bottrop war Pistorius am Freitagabend angekommen, zuvor hatte er natürlich das WM-Eröffnungsspiel seiner Landsmänner am Fernsehen verfolgt. „Es war sehr beeindruckend und besser, als wir erwartet hatten”, freute sich der mehrfache Weltrekordler und Paralympicssieger über den gelungenen Auftakt der „Bafana Bafana“, die ein 1:1 gegen Mexiko erreichte. Bottrop empfand der 23-Jährige übrigens als „peaceful”.
Eine Klasse für sich ist derzeit Markus Rehm im Weitsprung. Erst in der vergangenen Woche hatte der Schützling von der Speer-Weltmeisterin Steffi Nerius beim Internationalen Sportfest in Leverkusen mit seiner Weite von 6,84 Metern einen neuen Weltrekord aufgestellt. In Bottrop bestätigte er seine Top-Form mit 6,72 Metern. Über die 200 Meter legte er als Dritter hinter Pistorius und Arnu Fourie eine neue persönliche Bestzeit hin.
Die zweifache Silbermedaillen-Gewinnerin von Peking, Claudia Nicoleitzik, durfte gar einen neuen Weltrekord im Weitsprung bejubeln. Dem Brasilianer Jonathan Santos gelang dies sowohl im Kugelstoßen als auch im Diskuswurf. Die Litauerin Adomaitiene Raune (im Weitsprung und Speerwurf) und die Chinesin Liangman Zhang (Kugelstoßen) gehören ebenso zu den neuen Weltrekordlern.
Egal, ob eine neue Bestleistung aufgestellt wurde oder eben nicht, jede einzelne Darbietung verdiente höchsten Respekt. „Als Oberbürgermeister habe ich nicht oft die Gelegenheit, vor so vielen guten Sportlern eine Rede zu halten. Es ist eine besondere Ehre für mich“, betonte auch Bottrops Stadtoberhaupt Bernd Tischler. Über 400 Athleten aus knapp 30 Nationen hatten sich an den drei Tagen im Jahnstadion eingefunden – jeder Einzelne mit einem persönlichen Schicksal behaftet, authentischer ging es kaum: der kleine Sören, Saltos über die Hochsprunglatte oder sehbehinderte Weitspringer die mit Rufen zum Absprungbalken gelotst wurden.
Was fehlte, waren allerdings die neutralen Zuschauer. Aber darunter hat die Leichtathletikszene im Allgemeinen zu leiden. Das Fazit der Veranstalter fiel dennoch höchst positiv aus. „Wir sind absolut zufrieden mit dem Gesamtverlauf. Wir auch die entsprechende Resonanz von den Sportlern bekommen“, sagte Hannes Doesseler, Leistungssportkoordinator beim Behinderten-Sportverband Nordrhein-Westfalen. Die Voraussetzung im Jahnstadion genügten den höchsten Ansprüchen.
Ein großes Lob erhielt auch der lokale Ausrichter Adler Bottrop, von denen am Wochenende zahlreiche Helfer im Einsatz waren. Nach der großartigen Resonanz steht zumindest schon einmal fest, dass es nicht die vorerst letzte Veranstaltung dieser Art im Ruhrgebiet war. „Wir haben schon eine entsprechende Absprache getroffen, dass im vergangenen Jahr ein IWAS-Meeting in Bottrop stattfindet“, verrät Doesseler.