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Kommentar: Handball-WM verkommt zum Olympia-Lehrgang
Der "große Wurf" kommt zu früh

Kommentar: Handball-WM verkommt zum Olympia-Lehrgang

Jetzt steht sie also vor der Tür, die Handball-WM. Und wenn es nach den Machern von RTL geht, kann sie nur in einem neuen Wintermärchen münden – Kameras in der Kabine inklusive. Dass sich der Kölner Privatsender die Übertragungsrechte sicherte, spricht für das Potenzial, dass die Programmplaner im Team von Heiner Brand sehen.

Der Bundestrainer selbst ist da weniger optimistisch. Und tatsächlich muss man davon ausgehen, dass das anstehende Turnier quotenmäßig nicht mit dem Erlebnis von 2007 Schritt halten kann. Denn zauberhaft ist der Winter seit dieser Woche nun wirklich nicht mehr. Zum einen zog sich der große Hoffnungsträger Michael Kraus einen Muskelfaserriss in der Wade zu und droht zumindest den Auftakt zu verpassen, zum anderen ist der Schnee inzwischen geschmolzen. Und erst wenn der weg ist, sieht man, wo die Kacke liegt.

Frei nach Rudi Assauer bedeutet dies: Im DHB-Team dampft es derzeit gewaltig. Auch wenn die Auswahl als Weltmeister nach Kroatien reist, hat sie mit den Titelträgern von einst nur noch wenig gemein. Leistungsträger wie Henning Fritz und Florian Kehrmann fehlen ebenso wie Kapitän Markus Baur, der inzwischen seine Karriere beendet hat. Stattdessen bekommen in Kroatien Jungspunde ihre Chance, deren Namen nur eingefleischten Handballfans ein Begriff sind.

Nobodies wie Michael Müller und Martin Strobel werden erst ein paar Mal vor der nagelneuen Highspeed-Superzeitlupen-Kamera „Antelope“ durch die Lüfte fliegen müssen, um einem breiteren Publikum bekannt zu werden. Dass sie sich in naher Zukunft wie ihre Vorgänger mit dem WM-Titel schmücken dürfen, muss allerdings bezweifelt werden. Denn Brand sortierte die Routiniers vor allem deshalb aus, um nach dem ernüchternden Vorrunden-Aus in Peking eine schlagkräftige Truppe für die Olympischen Spiele 2012 aufzubauen.

Denn die sind für die Handballer das wahre Großereignis. Wer von den Funktionären jedes Jahr abwechselnd zu einer WM und EM gescheucht wird, der kann einem Duell mit Algerien nur wenig abgewinnen – vor allem, wenn im schlimmsten Fall neun weitere Auftritte innerhalb von zwei Wochen auf dem Programm stehen. Insofern dient das bevorstehende Turnier eher der Vorbereitung auf den echten Höhepunkt in London. Denn genau genommen kommt Kroatien für die jungen Wilden drei Jahre zu früh, um zum „großen Wurf“ anzusetzen, den RTL so quotenträchtig ankündigt.

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