Auch nach der zweiten NRW-Liga-Saison hat der Westdeutsche Fußball- und Leichtathletikverband heftig in der Kritik gestanden. Dem Theater über die wahnwitzigen Auflagen für die Klasse, die mittlerweile schon revidiert worden sind, hat im Vorjahr der gewonnene Zivilprozess des SV Schermbeck dem WFLV zugesetzt. Zeitgleich mussten die Funktionäre auch dem VfB Speldorf nachträglich noch die Lizenz einräumen. Und nach Ablauf der vergangenen Serie hat nun der VfB Hüls für Aufsehen gesorgt. Denn die Marler haben ihren Abstieg wegen der Lizenzentzüge für Rot-Weiss Essen sowie den Bonner SC nicht hinnehmen wollen und direkt mit einer Zivilklage gedroht. Doch auch dieses Mal haben die Verantwortlichen des WFLV Größe gezeigt, sind einem Rechtsstreit aus dem Weg gegangen und haben dem VfB grünes Licht für die NRW-Liga erteilt. Warum die Entscheidung pro Hüls gefallen ist und warum sich die „Eliteliga“ Nordrhein-Westfalens immer noch nicht vermarkten lässt, erklärt DFB-Vize-Chef Hermann Korfmacher im Gespräch mit RevierSport.
Herr Korfmacher, der WFLV ist erneut über seinen Schatten gesprungen und hat den VfB Hüls „begnadigt“. Sie haben sich besonders dafür eingesetzt. Warum?
Die Entscheidung, dass die Marler in der NRW-Liga bleiben, trägt sicherlich meine Handschrift, aber ich bin nicht alleine dafür verantwortlich. Wir haben dieses Urteil gemeinsam im WFLV getroffen.
Sportlich gesehen war der VfB abgestiegen. Durch die Lizenzentzüge für die ehemaligen Regionalligisten Rot-Weiss Essen und Bonner SC hat sich zwar eine Verschiebung ergeben, aber es hat sich nichts an der Tatsache des VfB-Abstiegs geändert. Warum bleibt Hüls dennoch drin?
Vor dem Hintergrund des zivilgerichtlichen Urteils im Fall Schermbeck, die ihre Unterlagen 15 Minuten zu spät eingereicht haben, haben wir erkannt, dass unsere Fristen, die nötig sind, nicht vor einem normalen Gericht standhalten. Außerdem ist der VfB Hüls ohne Schuld abgestiegen, weil zwei Vereine nun einmal wirtschaftlich die Ziele verpasst haben. Ein Abstieg mag sicherlich der Satzung entsprechen, aber nicht dem heutigen Rechtsempfinden. Jede Zeit hat ihre eigenen Entscheidungen. Und ich halte diese für richtig.
Damit ist der Verband erneut auf die Vereine zugegangen. Wie zuversichtlich sind Sie, dass der bestehende Graben nun endgültig geschlossen werden kann?
Ich habe es nie so empfunden, als gäbe es einen Graben zwischen dem Verband und den Klubs. Wenn er wirklich da war, sind wir darauf aufmerksam gemacht worden. Ich habe viele Gespräche mit den Vereinsvertretern geführt und ihnen klargemacht, dass ein Verband ohne Vereine überflüssiger als ein Kropf ist. Wir sind für unsere Klubs da, aber man kann es nicht immer allen Beteiligten Recht machen. Das sieht man auch aktuell beim Thema „Strukturwandel beim DFB“. Jeder hat seine eigene Sichtweise. Aber wir sind auf einem guten Weg, alle unter einen Hut zu bekommen.
Schermbeck hat geklagt, Hüls hat mit einer Klage gedroht. Rechnen Sie ab sofort nach jeder Verbandsentscheidung mit einer Prozess-Welle?
Nein. Ich hoffe, dass sich die Vereine am Riemen reißen. Wir haben die letzten beiden Jahre dazu genutzt, die Statuten zu überarbeiten und Schärfe herauszunehmen. Jetzt besteht eine größere Sicherheit und wir haben auch wieder mehr Ermessungsspielraum. Aber wir sind nicht alleine auf der Welt, sondern müssen uns auch übergeordneten Instanzen beugen. Deshalb ist auch von beiden Seiten Weitsicht gefragt.
Lassen Sie uns ein Szenario durchspielen: In der nächsten Saison wird gleich drei oder vier Regionalligisten die Lizenz entzogen. Wie viele Absteiger wird es dann in der NRW-Liga geben?
Dafür gibt es noch keine Regel. Wenn das eintreten würde, müssten wir dann erst handeln. Natürlich kann man sich schon jetzt die Köpfe heiß reden, aber wir schauen mit großer Gelassenheit in diese Richtung. Ein Szenario zu kreieren, ist nicht unser Ding. Da werden uns hinterher nur wieder die Aussagen vorgehalten, die wir in diesem Zusammenhang getätigt haben. Wir haben deshalb aber kein Denkverbot, sondern wir machen uns auch schon unsere Gedanken, was dann zu tun wäre.
Die NRW-Liga ist nun zwei Jahre alt. Wie fällt Ihr Fazit aus?
Das Fazit ist wie bei den Vereinen gemischt. Wir haben geglaubt, dass diese Liga besser zu etablieren sei, NRW-TV mehr Fernsehpräsenz geben würde und damit Sponsoren angelockt werden können. Doch das ist noch nicht so.
Eigentlich war sie als „Eliteliga“ Nordrhein-Westfalens vorgesehen.
Stimmt. Wir haben es beispielsweise auch über Ärmelwerbung versucht, Geld zu generieren. Es sah anfänglich auch positiv aus, schließlich gibt es einen Dummy in den NRW-Farben. Doch mehr ist noch nicht geschehen. Auch die Zuschauerresonanz könnte noch besser werden. Durch RWE wird diese Zahl jetzt aber in die Höhe schnellen. Sportlich ist die NRW-Liga derweil ein Erfolg.
Ja? Warum?
Die leistungsstärksten Teams NRW’s messen sich. Der Aufstieg in die vierte Liga ist ein großer Schritt, der durch die bestehende Leistungsdichte aber abgefedert wird.
Aber es gibt ein großes Gefälle in der NRW-Liga. Oben stehen die Klubs aus dem Nieder- und Mittelrhein, unten rangieren die Westfalen.
Ja, leider. Es trifft am Ende immer uns Westfalen. Wir fragen uns auch, warum das so ist. Haben wir durch die beiden Westfalenligen nicht die nötige Kraft gebündelt? Oder können wir wirtschaftlich nicht mithalten? Denn zu Beginn der NRW-Liga hatten alle drei Verbände die gleiche Anzahl an Mannschaften in der Klasse. Jetzt sind die Westfalen in der Minderheit.
Woran liegt es, dass die Vereine in Westfalen nicht so viel Geld ausgeben können?
In der Zeit einer wirtschaftlichen Rezension ist es schwierig, Sponsoren zu finden. Fußball und Geld sind heute unmittelbar im Zusammenhang. Die finanzielle Kraft einen Klubs trägt zum Erfolg bei. Das zeigt ja auch der SC Wiedenbrück. Durch das hohe Sponsoring sind sie Meister geworden. Oder auch die etablierten Westfalen-Vereine Lotte, Münster oder Verl schaffen es, Geldgeber zu finden. Es liegt also nicht zwangsläufig an der Geografie.
Woran dann?
Einige Vereine segeln sehr hoch und hart am Wind. Das schreckt mich auf. Wie weit sich die Funktionäre teilweise aus dem Fenster lehnen, ist schon mehr als mutig. Vielleicht ist das in Westfalen anders.
Es gibt ein großes Problem. Die Zweitvertretungen sind in allen Ligen nur ungern gesehen. Wann werden die Reservemannschaften ihre eigene Liga aufmachen und Platz für die echten Vereine schaffen?
Wir sind in Gesprächen. Ich schaue beispielsweise die Kreisliga A und stelle fest, dass dort schon sieben Reservemannschaften sind. Sportlich ist es selbst für diese Klasse schon unattraktiv und es zieht sich durch bis in die Regionalliga. Aber das ist ein hausgemachtes Problem. Wenn man diese Teams in eine andere Liga einordnet, können auch wieder die von uns allen geliebten Revier-Derbys entstehen. Das müssen wir dringend lösen, aber es ist sehr schwierig, es jedem Recht zu machen.
Zum Abschluss: Wen sehen Sie in der neuen Saison oben, wen unten?
Ich hoffe, dass es einen westfälischen Aufsteiger und nicht mehr so viele westfälische Absteiger geben wird. Da ich allerdings nicht beabsichtige, mir eine Krake zu kaufen, riskiere ich lieber keinen Blick in die Zukunft. Ich freue mich aber schon auf RWE, denn die Essener werden sicherlich der Publikumsmagnet sein. Das hilft der gesamten Liga. Und bis zum Heimspiel gegen die „Roten“ muss Hüls-Chef Horst Darmstädter dann auch seinen „Käfig“ im Stadion fertig haben.