Matthias Ginter (20.) und Leon Goretzka (49.) verschafften Joachim Löw mit dem ersten Dreier seit 326 Tagen auf dem Weg zur EM wieder etwas mehr Ruhe. Goretzka profitierte bei seinem Tor jedoch von einem haarsträubenden Fehler des ukrainischen Torwarts Georgij Buschtschan. Dem Anschlusstreffer durch den Elfmeter von Ruslan Malinowski (76.) nach einem unnötigen Foul von Niklas Süle folgte eine hektische Schlussphase.
Vor 17.573 Zuschauern im Olympiastadion konnte die deutsche Elf nicht restlos überzeugen. Löw sah auch bei seiner aktuell vermeintlich besten Elf einige der schon vielfach angesprochenen Mängel. Doch die coronageschwächte Ukraine konnte dies nicht härter bestrafen. Und so plant Löw am Dienstag (20.45 Uhr/ARD) in Köln gegen die Schweiz den nächsten Nations-League-Erfolg fest ein.
Im Vorfeld hatte sich eine gewisse Unruhe im Umfeld der DFB-Auswahl breit gemacht; nicht nur wegen der ausbleibenden Ergebnisse. Weil Löw die jüngste Kritik an seiner Kaderphilosophie in Kiew brüsk zurückwies („Ist mir völlig egal!“), wurde ihm Arroganz vorgeworfen. Der Bundestrainer entgegnete vor dem Anpfiff: „Natürlich bin ich reflektiert.“ Er sehe anders als die Kritiker aber „das große Ganze“.
Gintor-Tor bricht den Bann
Und doch: Der Druck war hoch. „Das ist ein Tag, wo man abliefern muss“, betonte ARD-Experte Bastian Schweinsteiger. Löw vertraute deshalb seinen Stammkräften. Neben den Münchnern um Kapitän Manuel Neuer kamen Mittelfeld-Chef Toni Kroos sowie die Leipziger Lukas Klostermann und Marcel Halstenberg zurück. Nur Antonio Rüdiger und Julian Draxler, der den angeschlagenen Timo Werner vertrat, blieben nach dem enttäuschenden 3:3 im Test gegen die Türkei im Team.
Löw wollte „Spielkontrolle“ sehen - und zwar über 90 Minuten. Oder, wie es Neuer ausdrückte: „Wir müssen dahinkommen, dass wir Männerfußball spielen, abgezockter werden.“ Doch vor allem in der ersten Halbzeit war das deutsche Spiel von unnötigen Ballverlusten geprägt und viel zu statisch. Erst eine Einzelaktion des aufgerückten Rüdiger, der Torschütze Ginter bediente, brach den Bann.
Serge Gnabry (25./35.) sowie Joshua Kimmich (31.) und Kroos (43.) hätten noch vor der Pause erhöhen können. Doch die Chancen täuschten nicht darüber hinweg, dass sich die DFB-Elf weiter schwer tat. Das von Löw geforderte Spiel in die Tiefe fand so gut wie gar nicht statt.
Dabei fehlten der Ukraine wegen Verletzungen und positiver Corona-Tests 14 (!) Profis. Im Abwehrzentrum verteidigten ein 18- und ein 21-Jähriger. Doch der der deutschen Mannschaft fehlte das Tempo, vor allem über außen. „Mir waren zu viele einfache Fehler dabei“, monierte Schweinsteiger zur Pause - und übte Kritik an Löws Taktik: Die Fünferkette sei der falsche Ansatz, weil dadurch ein Spieler im Mittelfeld fehle. Tatsächlich begegneten Kroos und Co. häufiger einer gegnerischen Überzahl.
Doch die Nachlässigkeiten blieben folgenlos, weil der unglückliche Torwart Buschtschan den Ball nach einer Klostermann-Flanke auf den Kopf von Goretzka fallen ließ. Draxler vergab die große Chance zur Vorentscheidung (51.), auch Klostermann (57.) und Gnabry (82.) scheiterten.