Rot-Weiss Essen hat aktuell 20 Spieler für die neue Saison unter Vertrag. Philipp Zeiger, der die letzten sechs Jahre zum Regionalliga-Kader der Rot-Weissen gehört, wird der kommenden Mannschaft nicht mehr angehören. Der 1,94 Meter große Innenverteidiger verabschiedet sich nach 175 Pflichtspielen (14 Toren und 7 Vorlagen) von der Hafenstraße. Im Sommer 2014 wechselte der gebürtige Dresdner vom Halleschen FC zu RWE.
RevierSport hat mit dem 29-jährigen Familienvater - die Zeigers haben eine einjährige Tochter und einen Hund - zum Abschied gesprochen.
Philipp Zeiger, Sie haben fünf gute Jahre bei RWE hinter sich. Das letzte war nicht Ihr bestes Jahr in Essen. Konnten Sie sich schon vorher so ein wenig auf den Abschied einstellen? Ja, das kann man durchaus sagen. Ich habe in dieser Saison nur 142 Minuten für RWE absolviert. Es gab die Krankheit, dann kam Corona. Es war, ist eine komische Situation. Oder besser gesagt: ein eigenartiger Abschied. Trotzdem war ich schon ein paar Tage lang sehr traurig, als feststand, dass ich Rot-Weiss verlassen werde. In sechs Jahren wird man natürlich in der Stadt und im Verein sehr heimisch.
Wurden Sie denn so richtig von der Mannschaft verabschiedet? Was heißt schon richtig? (lacht) Mit Abstand und in Mundschutzmasken natürlich. So sind die Zeiten - leider. Klar, nach sechs Jahren hätte ich mich natürlich liebend gerne von den Fans verabschiedet und noch einmal in eine volle Westkurve gewunken. Vielleicht kann ich das irgendwann mal nachholen.
Sechs Jahre Rot-Weiss Essen: Wie fällt da Ihre persönliche Bilanz aus? Es war eine sehr schöne, intensive Zeit. Ein ganz besonderer Moment oder ein Spiel bleibt da nicht hängen. Es waren so viele wunderbare Momente und Spiele dabei. Ich erinnere mich zum Beispiel sehr gerne an die Niederrheinpokal-Siege oder die DFB-Pokalschlachten gegen Düsseldorf, Bielefeld oder auch Gladbach. Wir waren immer ebenbürtig und die Fans haben uns sensationell gepusht. Die Atmosphäre bei diesen Begegnungen war unbeschreiblich - einfach nur der Hammer. Überhaupt blicke ich, wie schon gesagt, auf eine tolle Zeit zurück. Der Verein und die Stadt sind mir ans Herz gewachsen. Ich kann durchaus sagen, dass ich als Spieler gekommen bin und als RWE-Fan den Klub verlasse.
Gehen Sie denn sportlich "unerfüllt"? Das ist schwer zu sagen. Persönlich war ich bei Rot-Weiss Essen immer zufrieden. Bis auf die aktuelle Saison lief es immer rund. Ich war Stammspieler und kaum verletzt. Ich habe 175 Spiele bestritten. Das ist eine ordentliche Zahl. Aber klar: Als ich hierher kam im Sommer 2014, da wusste ich natürlich auch, wo der Verein hin will. Die Stadt, die Fans, der Verein: alle sehnen sich nach der 3. Liga und dem Profifußball. Leider haben wir es nicht geschafft. Das weiß ich auch. Aber ich würde trotzdem nicht sagen, dass ich den Verein sportlich unerfüllt verlasse. Ich blicke sehr positiv auf die Zeit zurück.
Unter Marc Fascher war RWE Wintermeister. Unter Karsten Neitzel und Christian Titz sah es auch lange Zeit sehr gut aus. Warum ist RWE der große Wurf letztendlich doch nicht gelungen? Die Antwort ist einfach: Wir haben es in all den Jahren nicht geschafft eine Saison von vorne bis hinten konstant gut durchzuspielen. Wir hatten immer sehr gute, aber auch schlechte Phasen. Das müssen sich die letztjährigen RWE-Mannschaften ankreiden lassen. Dazu kommt noch die Heimschwäche.
Sie sprechen es an: Ist die Hafenstraße eine Art Fluch und Segen? Das kann man schon so sagen. Denn es kann ja nicht sein, dass man als Rot-Weiss Essen so viele Heimspiele liegen lässt. Wenn du aufsteigen willst, musst du eine Heimmacht sein. Das haben wir die Jahre auch nicht hinbekommen. Eigentlich muss es so sein, dass der Gegner gar keine Chance haben sollte, wenn er hierhin kommt. Die Hafenstraße muss dem Gegner Angst vermitteln. Jeder, der nach Essen kommt, freut sich und spricht vom Spiel des Jahres. Jeder Gegner wächst über sich hinaus. Wir haben es leider nicht geschafft, vielen Gegnern die Vorfreude auf das Spiel in Essen in den 90 Minuten zu nehmen.
Sie sind als gebürtiger Dresdner vor sechs Jahren nach Essen gekommen und hier leben Sie ja immer noch. Welche Erwartungen hatten Sie an das Ruhrgebiet und wie würden Sie diese Region beschreiben? Vor meiner Unterschrift in Essen war ich nie weit weg von Zuhause. Ich habe in Halle gespielt, aber das waren 150 Kilometer von Dresden. Da war ich in 90 Minuten zuhause bei der Familie. Essen war da noch einmal eine ganz andere Geschichte. Ich hatte vorher natürlich auch irgendwelche grauen Wolken über Essen im Kopf (lacht). Ruhrpott eben. Aber ich muss sagen, dass Essen und das Ruhrgebiet an sich, wunderschön sind. Meine Frau und ich sind ins Auto gestiegen und haben uns vier, fünf Wohnungen im Essener Süden angeschaut. Das waren tolle Objekte, tolle Ecken zum Leben. Letztendlich sind wir in Fischlaken gelandet. Ein wunderschöner Ort, nahe eines Waldes und des Baldeneysees. Ich habe da viele morgendliche Stunden mit dem Hund verbracht. Die Mentalität der Leute ist anders, als die der Menschen in Dresden. Ich würde aber nicht sagen, dass sie besser oder schlechter ist - nein: sie ist anders. Ich bin offen für das Neue gewesen und habe mich schnell pudelwohl gefühlt. Sollten wir die Stadt Essen verlassen, werden wir sie definitiv vermissen. Und wir haben ja hier unsere Spuren hinterlassen. Unsere Tochter ist in Essen geboren und somit gebürtige Essenerin (lacht).
Werden Sie denn für Ihren neuen Verein Essen verlassen müssen? Das weiß ich noch nicht. Es gibt einige lockere Gespräche mit Vereinen - mehr aber auch nicht. Durch Corona sind alle Vereine sehr vorsichtig geworden und tun sich schwer, Spielern Angebote zu unterbreiten. Ich muss da sehr geduldig sein. Die Unterschriften könnten in der kommenden Transferperiode erst sehr spät erfolgen. Ich kann mir aber alles vorstellen, ob jetzt Nord-, Ost-, West-, oder Süddeutschland - alles ist möglich. Auch das Ausland würde mich reizen. Essen hat mich als Mensch weiterentwickelt und war eine sehr wertvolle Erfahrung, das würde sicherlich auch ein Auslands-Engagement sein. Aber da müsste schon alles passen. Ich bin entspannt und lasse alles auf mich zu kommen.
Was wünschen Sie Rot-Weiss Essen und seinen Fans? Nur das Beste! Dieser Verein, aber auch die Stadt, das betone ich immer gerne, gehören einfach in den Profifußball. Ich drücke den einzigartigen Anhängern und dem Klub die Daumen und wünsche ihnen die Realisierung des ersehnten Drittliga-Aufstiegs. Vielleicht schon in der nächsten Saison. Und dann? Dann ist viel möglich. Wenn RWE sich in der 3. Liga etabliert, werden vielleicht auch die großen Essener Unternehmen den Verein unterstützen. Ich bin mir sicher, dass die 3. Liga nicht das Ende der Träume für RWE ist. Dieser Verein hat gigantisches Potential. Ich werde das alles, von wo auch immer, sehr interessiert verfolgen. Danke für alles, RWE!
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