Der ehemalige DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig (59) hat in Anbetracht der befürchteten Energiekrise im Herbst und Winter einen wesentlichen Beitrag des Profifußballs beim Energiesparen eingefordert. „Denn wenn aktuell über ein Rationieren von Energie nachgedacht wird und Haushalte sparsamer damit umgehen müssen, wenn der Wirtschaftsminister appelliert, Energie einzusparen wo es geht, dann muss der Profifußball auch seinen Beitrag leisten“, sagte der langjährige Bundesliga-Manager im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst (SID).
Für ihn sei es unverständlich, „wenn im Winter die Rasenheizung und das Flutlicht volle Pulle laufen“. Laut Rettig verbraucht eine Rasenheizung ölbetrieben circa 2000 Liter Heizöl am Tag: „Das ist ungefähr so viel wie ein Einfamilienhaus im ganzen Jahr. Ich denke, dass man hier tatsächlich umdenken, beziehungsweise vorbereitet sein muss.“
In diesem Zusammenhang spricht der einstige Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL) auch die Umstellung des Spieljahrs auf das Kalenderjahr an. „Skandinavische Länder praktizieren das bereits. Wenn eine Weltmeisterschaft in Katar dazu führt, dass ganz Europa die Spielpläne ändern kann, dann denke ich, dass man das für dieses wichtigere Ziel des Klimaschutzes schon recht tun könnte“, sinnierte Rettig.
Das Wintergeschäft für den Aboverkauf von Medienpartnern solle in diesem Fall nachrangig betrachtet werden: „In diesen Zeiten der Energieknappheit darf es keine Denkverbote geben - auch nicht für den Profifußball.“
Einen „Paradigmenwechsel würde ich mir bei der Verteilung von Erfolgsprämien und anderen Anreizen“ in Richtung Nachhaltigkeit wünschen, so der gebürtige Leverkusener: „Warum sollte man nicht die Klubs besonders belohnen, die den größten Anteil am Gemeinwohl zukünftig erzielen. Oder eine Prämie aussetzen für den grünsten Strumpf des nachhaltig oder sozial engagierten Spielers. Das wären für mich Signale, die in die richtige Richtung gehen.“
Zurzeit seien die Verbände national wie international in erster Linie ausschließlich darauf ausgerichtet, „den sportlichen Erfolg zu prämieren, dann werden natürlich die Klubs in erster Linie in kurze Hosen investieren“. Was auch dazu führt, Investoren anzulocken, „um kurzfristigen sportlichen Erfolg zu generieren, um dann aus den üppigen Medientöpfen Gelder zu generieren“.
Für Rettig der falsche Weg. Wenn er sehe, „dass in Europa in erster Linie die 20 umsatzstärksten Klubs glorifiziert werden, muss ich darüber schmunzeln. Umsatz alleine ist keine Kenngröße, die mich überzeugt.“ Barcelona mit seinen 1,35 Milliarden Euro Schulden lasse grüßen. Rettig im SID-Gespräch: „Hier würde ich mir viel mehr wünschen, dass man andere Anreize schafft, beispielsweise für die Themen der Nachhaltigkeit.“
Auch beim Vergütungssystem für Manager sieht Rettig Reformbedarf: „Es ist für mich nicht mehr zeitgemäß, hier nur einen Tabellenplatz oder einen Titel zu bonifizieren, sondern auch dort das Erfüllen von bestimmten Kriterien.“
Auch Vorbehalte gegenüber Vereins-Präsidenten, wie die gegenüber dem neuen Hertha-Chef Kay Bernstein, der aus der Ultra-Szene entstammt, seien nicht zielführend.
„Ich finde, dass wir wegkommen müssen von dem Thema, Fans in Schubladen zu stecken und sie dann gegeneinander auszuspielen“, so Rettig: „Das heißt Ultras, Normalos, Übersee-Konsumenten, Business-Seats und Logen, Sponsoren, Fankurven, Allesfahrer oder Eventfans - alle eint in der Regel die besondere Beziehung zum Verein und ihre Zuneigung.“ Der VIP zum Beispiel könne genauso „emotional mit einem Klub verbunden sein wie jemand, der auf den Zaun klettert. Ich denke, das sollte alles auch altersgerecht bewertet werden“.