Volker Finke, im Februar als Sportdirektor in die Domstadt gewechselt, muss sich nun als Trainer, Feuerwehrmann und Psychologe beweisen. Eine Herkulesaufgabe, die sich der 63-Jährige selbst - angeblich wider Willen - aufgehalst hat und die ihn letztlich den Job kosten könnte. Finke weiß um das Risiko, dass er im Falle eines Abstiegs kaum zu halten wäre: "Ich bin diesem Gedankengang mit allen Konsequenzen gefolgt." Und doch hat er sich auf das Abenteuer eingelassen.
Und dieses beginnt am Samstag gleich mit dem Derby gegen die Werkself aus Leverkusen. Die Vorzeichen stehen schlecht. Die beeindruckende Heimserie unter Vorgänger Frank Schaefer mit sechs Siegen in Serie ist mit dem 1:3 gegen den VfB Stuttgart gerissen. Die Kölner haben nur noch drei Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz und die zweitschlechteste Tordifferenz der Liga.
Allein in den vergangenen drei Partien kassierte die Mannschaft zwölf Gegentore. Gegner Leverkusen erscheint übermächtig und kann darüber hinaus mit einem Sieg die direkte Champions-League-Qualifikation perfekt machen.
Jede Menge Konfliktpotenzial
Wie soll der 1. FC Köln dieses Spiel gewinnen? Zuletzt wirkte die Mannschaft desolat und blutleer. Finke macht keinen Hehl daraus, dass er mit der Qualität des Kaders nicht zufrieden ist: "Weder Frank Schaefer noch ich haben die Mannschaft zusammengestellt. Wir müssen jetzt das Optimale aus dem herausholen, was da ist."
Doch der Kader bietet noch mehr Konfliktpotenzial: Die Mannschaft gilt als zerstritten, wurde vom Boulevard bereits als "Sauhaufen" tituliert. Finke selbst bestätigte auf der Pressekonferenz am Mittwoch indirekt, dass die Mannschaft in sich nicht gefestigt ist.
Die ersten Trainingseindrücke unter Volker Finke belegten dies: Während die Fraktion um den Alt-Internationen Petit und den von Schaefer abgesetzten Kapitän Youssef Mohamad - beide hatten sich beim Sportdirektor Finke über den Trainer Schaefer beschwert - förmlich aufblühte, wirkte Lukas Podolski irritiert, angeschlagen und lustlos. Gerade der große Kölner Hoffnungsträger Podolski, der unter Frank Schaefer zu alter Stärke zurückgefunden hatte.
Und dann sind da noch die eigenen Fans, die zum Stolperstein für Volker Finke werden könnten. Das Gros hat in ihm den Schuldigen für die Demontage ihres geliebten Frank Schaefer ausgemacht. Zu viele Argumente hat Finke ihnen selbst geliefert, maßgeblich durch die öffentliche Thematisierung und Problematisierung Schaefers religiöser Ausrichtung. Schon am Ostermontag waren einige FC-Anhänger mit üblen Parolen ("Wenn ihr absteigt, schlagen wir euch tot") negativ aufgefallen. Entsprechend vorsichtig bat der neue Trainer nun um Unterstützung der Zuschauer. Damit falle es der Mannschaft leichter, sagt Finke.
Der Druck auf ihn ist enorm. Schafft er den Klassenerhalt, hätte der Sportdirektor seine Position mit noch mehr Macht ausgestattet und gesichert. Steht am Ende der Saison jedoch der Gang in die 2. Bundesliga fest, wird nicht nur Trainer Finke gehen, sondern auch der Sportdirektor Finke. Es ist ein riskantes Spiel. Alles oder nichts.