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BVB-Handballfrauen mit Existenzkampf
Happe: "Habe volles Vertrauen in meine Mannschaft"

BVB-Handballfrauen mit Existenzkampf
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Ganz Deutschland glüht im Handballfieber. Nach dem überraschenden WM-Sieg des deutschen Teams der Männer gegen Polen kennt der Jubel keine Grenzen. Der Sport gewann schlagartig über zehn Millionen neue Anhänger dazu. Und auch die Frauen versuchen gerade, sich den Weg zur Weltmeisterschaft in Frankreich (2.-16. Dezember 2007, u.a. in Paris) frei zu spielen.

In der Nationalmannschaft neu mit dabei ist Topschützin Svenja Spriestersbach von Borussia Dortmund.

Im Gegensatz zum persönlichen Erfolg liegt über ihrem Verein derzeit ein großer Schatten. Schon seit einiger Zeit trübten Berichterstattungen über Finanzierungsprobleme das Wetter über der Revierstadt. Kurz vor Beginn der Saison war es sogar fraglich, so die Mitteilungen, ob die nötigen Gelder für die Bundesligateilnahme aufzubringen waren. Diese verlief, mit Ausnahme von einigen gewonnen Partien im September, bislang erfolglos. Nach der knappen 26:28-Niederlage am 19. Spieltag gegen den Thüringer HC bilden die Borussinnen jetzt nicht nur das Schlusslicht der Tabelle, sondern stehen auch kurz vor dem Abstieg.

Dabei blickt der Verein auf eine strahlende Vergangenheit zurück. Nach dem Aufstieg in die erste Liga 1991 gewann der BVB 1997 den DHB-Pokal, wurde 1999 Deutscher Vizemeister und belegte in den Jahren 1996, 1998 und 2000 den dritten Platz der Abschlusstabelle.

2002 übernahm Thomas Happe, ehemaliger Coach des VfL Gummersbach und des TuS Schutterwald, die Betreuung des Teams. In seiner aktiven Zeit spielte der 48-Jährige zehn Jahre für TUSEM Essen und holte mit diesem dreimal den nationalen Meistertitel, 1984 mit dem deutschen Team die Silbermedaille bei den olympischen Spielen in Los Angeles. RevierSport sprach, vor der nächsten Partie gegen Ketsch (Sa., 17. März, 19.30 Uhr) mit ihm über seine Rolle als Trainer, die aktuelle Lage des Vereins und die zweite Liga. Thomas Happe, bei einem aufmerksamen Blick auf die Rangliste bekommt der Beobachter Angst vor einem Abstieg des BVB. Würden Sie sagen, diese ist begründet?

Wenn man mit acht Punkten am Tabellenende steht, ist Sorge natürlich gerechtfertigt. Es ist jetzt extrem wichtig, gegen Ketsch zu gewinnen. Das wird der unmittelbare Vergleich der Konkurrenten um den Klassenerhalt. Aber ich habe volles Vertrauen in mein Team, glaube fest daran, dass wir in der ersten Liga bleiben werden. Welche Konsequenzen haben Sie aus Ihrer Niederlage gegen den Thüringer HC gezogen?

Das Match war spielerisch in Ordnung, Auftritt und Engagement der Mannschaft gut. Sicherlich haben wir einige Chancen, die wir uns heraus gespielt hatten, nicht genutzt. Hätten wir den Ausgleich geschafft, hätte sich das Blatt danach mit Sicherheit zu unseren Gunsten gewendet. Irina Pusic... ...die frisch verpflichtet wurde...

war allerdings gerade erst zum Team gestoßen und seit einer Woche im Training. Das Zusammenspiel mit der Mannschaft saß noch nicht richtig. Wir hatten aber nun vor dem Auftritt gegen Ketsch ausreichend Zeit für die Feinabstimmungen. Rechnet man die Punkte durch, wird offensichtlich, dass Sie die Partie gegen Ketsch gewinnen müssen, um den Abstieg zu verhindern. Wie gehen Sie mit dem psychischen Druck um? Wir waren ja schon vor dem Jahreswechsel Tabellenletzter. Und bei einem Blick auf den Spielplan war klar, dass wir bei Begegnungen gegen Leverkusen, Nürnberg und Leipzig erst einmal länger unten bleiben würden. Wir konnten uns also schon mit dieser Lage beschäftigen. Man muss auch in der aktuellen Situation einfach ehrlich mit den Tatsachen umgehen und sagen: Wir sind eine der Mannschaften, die dort stehen. Und die, die am Ende als Sieger hervorgehen, haben es dann auch verdient. Wie gehen Sie an die Begegnung gegen Ketsch heran?

Wir werden hoch konzentriert sein und so, da bin ich mir sicher, unser Ziel erreichen. Vor der Saison gab es einige Personalumstellungen beim BVB. Für einen kleinen Kader viel Bewegung. Aus welchen Gründen?

Wie im Fall von Nadine Härdter, die zum Thüringer HC wechselte, ist es ganz normal, dass Sportlerinnen, die sich auf hohem Niveau bewegen, auch einmal neuen Herausforderungen, wie dem internationalen Wettbewerb, begegnen möchten. Das war im Rahmen unserer Möglichkeiten bislang nicht möglich.

Ist diese starke Fluktuation auch ein Grund für die aktuellen Probleme Ihres Vereins?

Natürlich haben wir gehofft, auf Stützen in der Truppe weiter aufbauen zu können. Wenn dann einige Spielerinnen aufgrund von Studienwechseln oder weil sie sich ganz einfach persönlich weiter entwickeln wollen, den Verein wechseln, habe ich natürlich Verständnis dafür. Solche Entscheidungen müssen akzeptiert werden. Aber eine Mannschaft muss sich dann erst einmal wieder zusammenfinden. Trotzdem sehe ich die Abstiegsgefahr nicht in diesen Umstellungen begründet. Haben Sie zu Beginn der Spielzeit vielleicht bereits damit gerechnet, dass es so kritisch für den BVB werden könnte?

Nein, wir sind voller Vertrauen in diese Saison gegangen.

Sie haben als aktiver Handballer beim TUSEM zahlreiche Triumphe gefeiert, waren ab 1992 Trainer des Vereins. Im selben Jahr war TUSEM deutscher Pokalsieger. Sie sind Erfolge gewohnt. Wie ist die aktuelle Situation für Sie persönlich?

Die momentane Lage ist mit meiner Zeit in Essen nicht zu vergleichen. Beim BVB hängt die Bereitstellung der Geldmittel für die Handballmannschaft sehr viel enger mit der Fußballabteilung zusammen. Wenn es denen schlecht geht, geht es uns auch schlecht. Das ist ja eine völlig andere finanzielle Ausgangssituation als bei TUSEM. Dort hatte der Handball auch einen viel höheren Stellenwert als in Dortmund. Es war also von Anfang an klar, dass beim BVB erst einmal Aufbauarbeit betrieben werden muss. Insofern waren die Ziele ganz anders gesteckt.

Können Sie die Probleme des Vereins von Ihrem Privatleben trennen oder nehmen Sie diese mit nach Hause?

Ich denke, jeder, der sich engagiert und konzentriert mit seinem Job befasst, beschäftigt sich auch noch nach dem Feierabend damit. Diese Arbeit ist auch nicht immer planbar.

Blutet Ihnen als gebürtiger Dortmunder besonders das Herz? Oder ist es im Sport nicht möglich, Lokalpatriot zu sein?

Ich war schon immer Anhänger der BVB-Fußballmannschaft und habe aufgrund dessen stets enge Kontakte mit dem Verein gepflegt. Aber es war immer klar, dass man nicht aus dem Vollen schöpfen kann. Der BVB ist sehr engagiert im Jugendbereich, so dass man langfristig von diesen Talenten profitieren kann. Wir haben bereits einige Jugendliche in unser Team integriert. Aber das bedarf eben auch eines gewissen Zeitraums. Insofern gab es bei mir keine große Enttäuschung.

Ihr Trainervertrag läuft noch bis zum 30. Juni 2008. Gilt Ihre Vereinbarung auch für die zweite Liga? Grundsätzlich ist zu sagen, dass mein Vertrag erst einmal weiter gilt. Wir warten jetzt erst einmal, ob wir unser Ziel, in der Bundesliga zu bleiben, erreichen werden. Danach wird dann geschaut, ob und in welchem Interesse Entscheidungen getroffen werden.

Sollte Ihr Team nach dieser Saison absteigen, würde es in der kommenden Saison zum ersten Mal seit 14 Jahren nicht mehr in der ersten Liga mitspielen. Gibt es Perspektiven für einen BVB nach dem Abstieg?

Es gibt viele Pläne, aber unsere aktuelle Zielsetzung ist es, in der ersten Liga drin zu bleiben. Bevor das nicht entschieden ist, werden wir kein anderes Gespräch führen. Durch Deutschland rollt derzeit eine Welle der Begeisterung für den Männerhandball. Wie beurteilen Sie diese Euphorie?

Ich finde das genial. Der Handball ist durch die Nationalmannschaft in ganz besonderem Maße in den Vordergrund gestellt worden. Viele Leute, die vorher wenig Bezug zu diesem Ballsport hatten, haben bei der WM Dinge gesehen, die sie toll fanden. Wie Teamgeist, Engagement und den starken Willen zu siegen. So sind auch in meinem persönlichen Bekanntenkreis viele Leute ganz neu vom Handballspiel fasziniert. Dieses Hobby ist viel attraktiver geworden. Das ist natürlich ein Phänomen bei allen Sportarten, die international erfolgreich sind. Das merkt man dann besonders im Jugendbereich, wo viele Heranwachsende wieder in die Vereine gehen.

Wie ist die Situation bei den Frauen? Bemerken Sie einen Anstieg der Begeisterung?

Ja, auf jeden Fall, das sieht man auch an den Zuschauerzahlen, die steigen sowohl bei den Jugendlichen als auch bei den Frauen an. Vor meiner Tätigkeit beim BVB war mir der Frauenhandball selbst auch kaum bekannt. Ich wusste gar nicht, wie viele junge Mädchen Handball spielen. Man muss auf diesen Sport halt erst einmal aufmerksam gemacht werden.

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