Am Freitag taten die Nationalspieler, was man eben so tut in einem Hotel, das den Namen Zulal Wellness Resort trägt: Sie entspannten – zumindest weitgehend. Thomas Müller und Antonio Rüdiger, zuletzt wegen Hüftproblemen außen vor, gaben einen Tag früher als geplant ihr Trainingscomeback und standen mit Bundestrainer Hansi Flick und einer Handvoll Kollegen für mehr als eine Stunde auf dem Platz. Der Rest der Mannschaft aber genoss den Tag am Pool – oder versuchte sich an anderen Sportarten. Thilo Kehrer etwa spielte mit Jamal Musiala und Leroy Sané Basketball.
Externe Beobachter waren nicht zugelassen, deswegen konnte nicht übermittelt werden, wie Kehrers Stellungsspiel war, ob er seine flinken Kollegen erfolgreich vom Korb fernhalten konnte oder ob er sich allzu oft ausdribbeln ließ. Und eine Zweikampfquote konnte erst recht nicht erhoben werden.
Beunruhigender DFB-Auftritt im Oman
Und so muss die Öffentlichkeit weiter mit den Eindrücken vom 1:0-Testspielsieg im Oman arbeiten – und diese Eindrücke waren für Kehrer alles andere als vorteilhaft. Mit den schnellen Flügelspielern des Gegners hatte er so seine Probleme, wurde im direkten Duell mehrfach düpiert. Nur zwei von sieben Zweikämpfen am Boden gewann er, immerhin drei von fünf in der Luft – was insgesamt die für einen Abwehrspieler viel zu schwache Quote von 42 Prozent ergibt.
Das alleine mag noch nicht reichen, Fußballdeutschland in Alarmstimmung zu versetzen. Aber beunruhigend war der Auftritt schon, zumal er sich einbettete in ein größeres Bild: Wieder einmal zeigte sich nämlich, dass die deutsche Mannschaft auf den defensiven Außenbahnen eine gewaltige Problemzone hat – und das nur wenige Tage vor dem ersten WM-Spiel gegen Japan am Mittwoch (14 Uhr MESZ/ARD).
Zweifel an Klostermann
Lukas Klostermann, der auf der rechten Seite begonnen hatte, verließ nach einer guten halben Stunde den Platz. „Es war im Vorfeld schon klar, dass wir ihn nur 30 Minuten spielen lassen“, beschwichtigte Flick zwar. Aber erstens ist es nie ein gutes Zeichen, wenn ein Spieler kurz vor Turnierstart noch nicht die Fitness für ein halbes, geschweige denn ein ganzes Spiel hat. Und zweitens hatte sich Klostermann in seiner Einsatzzeit auch nicht nachdrücklich empfehlen können.
Und das war an diesem Tag kein Alleinstellungsmerkmal: David Raum offenbarte auf der linken Seite erneut gravierende Probleme, den Rückwärtsgang zu finden, ließ beträchtliche Lücken klaffen – und kompensierte das vorne auch nicht durch gefährliche Hereingaben. Und der zur Halbzeit für ihn gekommene Christian Günter untermauerte zwar sein Versprechen, dass er „zu 100 Prozent Gas geben“ werde – er lief aber auch sehr viel vergeblich nach vorne und bekam seine Seite hinten auch nicht dicht.
Gravierende Probleme in der DFB-Abwehr
Flick mag zwar noch nicht von einem grundsätzlichen Abwehrproblem reden und beruft sich dabei auf eine höhere Instanz: „Ich habe mit Lothar Matthäus gesprochen, er war ein großer Fußballer, jetzt ist er Experte. Er hat auch gesagt, man konnte in so einem Spiel nicht erwarten, dass das auf das höchste Niveau kommt.“ Allerdings: Auch der Auftritt der gesamten Abwehr im Oman fügte sich ein in ein größeres Bild, und auch dieses ist kein schönes aus deutscher Sicht: Schon in den Spielen zuvor, beim 3:3 gegen England wie beim 0:1 gegen Ungarn, hatten sich gravierende Probleme in der Abwehr gezeigt, war die DFB-Auswahl vor allem über die Flügel anfällig. In den vergangenen sieben Spielen setzte es stets mindestens ein Gegentor.
Schnelle Linderung der Probleme erhofft sich Flick nun vor allem durch die Rückkehr seines Abwehrchefs Antonio Rüdiger, der die wacklige Viererkette stabilisieren soll. Und für außen gäbe es ja noch die Dortmunder Lösung: Niklas Süle, eigentlich innen angesiedelt, spielte bei der Borussia zuletzt regelmäßig als Rechtsverteidiger, tat das einige Male recht gut und ansonsten meist ordentlich. Wäre das auch in der Nationalmannschaft denkbar? Auf die Frage reagiert Flick, wie er auf Fragen nach seiner Aufstellung meist reagiert: Er weicht aus.
„Der Kader gibt uns sehr, sehr viele Optionen“, meint er. Nur die eine richtig gute – die ist bislang noch nicht gefunden.