Gerade hat er sich an ein Iglu als neues Zuhause gewöhnt, da plant Fußball-Weltenbummler Lutz Pfannenstiel schon die nächste verrückte Aktion. "Im nächsten Jahr ziehe ich am Amazonas für eine Woche in einen Baumwipfel", sagt der frühere Torhüter im Gespräch mit dem SID. Und meint das durchaus ernst.
Der 38-Jährige hat sich nach seinen Erfahrungen auf sämtlichen Kontinenten dem Kampf gegen den Klimawandel verschrieben. Um Geld für die von ihm unterstützten Projekte zu sammeln, ist er für manche Grenzerfahrung bereit. "Um wirklich Aufmerksamkeit zu erzielen, brauchst Du mindestens eine extreme Aktion pro Jahr", sagt er.
Komfortabel ist es nicht in seinem kleinen Iglu, das er am Rande der Biathlon-WM in Ruhpolding aufgebaut und am Mittwochmorgen bezogen hat. Ein Feldbett, zwei Stühle und ein Computer, um mit der Außenwelt zu kommunizieren, das ist praktisch alles. Und damit dies allen bewusst ist, lässt sich Pfannenstiel in Big-Brother-Manier per Livestream 24 Stunden am Tag im Internet beobachten.
"Auf die Toilette gehe ich so gut wie nie", sagt er schmunzelnd: "Einmal am Tag raus, das reicht. Und essen tue ich praktisch auch nichts. Viel Tee, ab und zu eine Suppe, vielleicht auch mal eine Banane. In den fünf Tagen, die ich hier bin, will ich auch ein bisschen leiden."
Wer auf die Gefahren der Vernachlässigung des Naturschutzes aufmerksam machen will, muss spartanisch leben, um glaubwürdig zu sein. "Würde ich mir jeden Tag zwei Steaks in die Pfanne hauen, wäre das unpassend", sagt er.
Wie es in der Welt zugeht, weiß kaum jemand so gut wie der in Zwiesel im Bayerischen Wald geborene Pfannenstiel. Der Ex-Keeper, derzeit als Scout bei 1899 Hoffenheim und Experte für Entwicklungsländer beim Deutschen Fußball-Bund tätig, ist der weltweit erste und einzige Fußball-Profi, der in jedem der sechs anerkannten FIFA-Kontinentalverbände einem professionellen Verein angehörte.
2009 veröffentlichte er seine Autobiografie. Darin sind unglaubliche Anekdoten zu finden. In Singapur saß Pfannenstiel wegen nie belegter Spielmanipulation mal für 101 Tage in Haft. Im englischen Bradford brach er auf dem Spielfeld zusammen und musste drei Mal wiederbelebt werden.
So gesehen ist das Leben im Iglu fast schon entspannend. "Ich habe schon ganz andere Dinge erlebt. Was dich nicht umbringt, macht dich nur härter", sagt Pfannenstiel, der unter anderem in Malaysia, Kanada, Neuseeland, Brasilien oder Armenien spielte und Torwarttrainer in Kuba und Namibia war: "Wenn das Iglu nicht zusammenfällt, werde ich das auf jeden Fall bis Sonntag durchziehen."
Dass es durchaus hart ist, lässt sich bei einem Blick auf den Bildschirm erkennen. Pfannenstiel sitzt dort in Skihose, dicker Jacke, mit monströsem Stirnband und Riesenhandschuhen. "Nach drei Stunden war ich schon ziemlich angefroren", sagt er: "Ich bin drei Tage vorher erst aus Namibia gekommen. Dort waren es fast 40 Grad. Hier drin hat es minus 1 Grad. Nichts ist isoliert, ich stehe praktisch auf dem blanken Schnee."
In seinem Eishaus empfängt Pfannenstiel häufig Besuch. Weltmeister Andreas Brehme und anderen Prominenten stellt er Fragen, die per SMS eingegangen sind. Eine Frage kostet 5 Euro, das Geld geht an verschiedene Klima-Projekte. Diese reichen von Großprojekten in Zusammenarbeit mit der Unesco bis zu Aktionen, bei denen Bewohner südafrikanischer Townships an Mülltrennung herangeführt werden.
Dafür hat Pfannenstiel mit seinem Global United FC und Unterstützern wie Brian Laudrup, Carlos Valderrama oder Cafú schon in der Wüste gespielt, ja selbst in der Antarktis. Und bald ruft der Baumwipfel am Amazonas. Eine extreme Aktion pro Jahr ist eben Pflicht.