Im ruhmreichen Stadion an der Anfield Road herrschte eine Stimmung wie bei einer Beerdigung. "Die Tränen der Anhänger flossen literweise", berichtete die Boulevardzeitung The Sun nach dem Ausscheiden des FC Liverpool im Halbfinale der Europa League. Ein 2:1 (1:0, 1:0) nach Verlängerung gegen Atletico Madrid war zu wenig für die Reds. Der Uruguayer Diego Forlan, ehemals beim Erzrivalen Manchester United beschäftigt und bereits beim 1:0 im Hinspiel der Torschütze, verwandelte mit seinem Treffer in der 103. Minute die Anhängerschar des FC Liverpool in eine Trauergemeinde. "Die Niederlage war der grausamste Rückschlag in einer bitter enttäuschenden Saison", urteilte die Tageszeitung Daily Mirror. In der Tat: Der FC Liverpool schied in der Gruppenphase der Champions League aus, unter anderem gegen Olympique Lyon und AC Florenz, die späteren Gegner von Bayern München. In der Premier League hatte der 18-malige Meister früh keine Chance mehr auf den Titel. Sogar Rang sieben und damit die Teilnahme an der Europa League sind nicht ganz sicher. Und nicht mal für den Titel der zweiten europäischen Liga reicht es noch: Den kann der Ligarivale FC Fulham holen. Fulham!
"Diese Saison ist nicht gut genug gelaufen. Es ist deutlich geworden, dass wir Probleme hatten. In dieser Saison hat sich alles gegen uns verschworen", sagte Teammanager Rafael Benitez. Er hatte vor der Saison eine Garantie abgegeben, dass Liverpool wenigstens Rang vier in der Premier League belegen würde, um damit noch die Qualifikation für die Champions League zu erreichen. Doch auf Tottenham Hotspur haben die Reds zwei Punkte Rückstand - und schon ein Spiel mehr absolviert. Und: Sie haben jetzt erst mal Tabellenführer FC Chelsea vor der Brust. Die Zukunft ist völlig ungewiss. Benitez werden Kontakte zu Juventus Turin nachgesagt, dort soll er 80 Millionen Euro ausgeben dürfen, unter anderem für Wolfsburgs Torjäger Edin Dzeko. Den Fragen danach wich er aus. "Die Zukunft ist am Sonntag Chelsea", sagte der Spanier. Unter ihm gewannen die Reds die Champions League (2005) und einmal den FA Cup (2006). Doch wenn Liverpool Pech hat, wird es am Ende des sechsten Jahres unter Benitez auch noch vom Lokalrivalen FC Everton von Rang sieben verdrängt; diese Platzierung reicht diesmal zur Teilnahme an der Europa League.
Seriöse Beobachter machen sich nun ernsthafte Sorgen um den ruhmreichen FC Liverpool. "Nach dem Gegentor ist der letzte Vorhang in einer enttäuschenden Saison und möglicherweise auch der Amtszeit von Rafael Benitez gefallen", schrieb die Zeitung The Independent - und urteilte: "Es gab keine Anzeichen für eine positive Zukunft." Dabei schien sogar noch alles gut zu gehen: Liverpool sah nach Toren von Alberto Aquilanti (44.) und Yossi Benayoun (95.) schon wie der Sieger aus, bis Forlan den Einzug ins Endspiel in Hamburg und den erhofften Griff nach der "silverware" verwehrte.
Atletico Madrid steht dagegen erst zum dritten Mal in seiner Geschichte in einem eurpäischen Endspiel. 1962 gewannen die Spanier den UEFA-Cup, 1974 scheiterten die im Endspiel des Europapokals der Landesmeister, genauer: erst im zweiten. Das erste Spiel gegen den FC Bayern München hatte nach dem Treffer von "Katsche" Schwarzenbeck (119.) nach Verlängerung 1:1 geendet, bei der Wiederholung zwei Tage später siegte der deutsche Rekordmeister 4:0.