"Das ist natürlich ein Thema", sagte Sportdirektor Christian Nerlinger vor dem heutigen Halbfinal-Hinspiel (20.45 Uhr/live bei Sky und SAT.1) in der Champions League gegen Olympique Lyon über die Causa Ribery, fügte jedoch ein großes Aber an: "Wir müssen uns auf das Sportliche konzentrieren, auch Franck."
Doch die Anschuldigungen wiegen schwer: Sex, außerehelich, mit einer Prostituierten, die auch noch minderjährig gewesen sein soll - der FC Bayern kämpft verzweifelt darum, Lyon im Fokus zu behalten. Nichts soll das Vorhaben stören, erstmals seit dem Triumph von 2001 wieder ins Finale der Königsklasse vorzustoßen. Darauf haben sich die Bosse auch bei einem Gespräch mit Ribery am Montag verständigt. Anschließend nahmen die Bayern den 27-Jährigen aus der Schusslinie und sagten dessen geplanten Auftritt vor der Presse ab. Und auch die Vertragsverhandlungen mit dem umworbenen Ribery ruhen, obwohl sich der doch bis spätestens Samstag zu seiner Zukunft äußern wollte. Präsident Uli Hoeneß hob die Deadline in der Münchner tz auf. "Wir haben klar gesagt, dass wir zu gegebener Zeit reden werden. Und da lassen wir uns keine Frist aufdrängen", sagte er. Nerlinger stützte diese Ansicht in der Süddeutschen Zeitung: "Wann es zu Gesprächen über den Vertrag kommt, wissen wir noch nicht."
Ribery drohen im schlimmsten Fall bis zu drei Jahre Gefängnis, ob es gegen ihn aber überhaupt ein Ermittlungsverfahren geben wird, ist derzeit noch offen. "Er ist ja offenbar in dieser Sache nur als Zeuge befragt worden", sagte Franz Beckenbauer am Dienstag. "Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass ihn das mit Blick auf Lyon irgendwie aus der Ruhe bringt. Er wird seinen Kopf ganz beim Spiel haben." Diesen Eindruck bestätigte Coach Louis van Gaal. Und zumindest in Riberys letzter öffentlicher Stellungnahme war das so. "Es wird sehr schwierig gegen Lyon. Wir sind zwar eher der Favorit als zuvor gegen Manchester United, aber Lyon hat eine sehr gute Mannschaft. Es liegt jetzt an uns, dafür zu sorgen, dass wir gewinnen und ins Finale einziehen", sagte er der Internetseite von Gegner Olympique. Ribery will dabei helfen, seine Muskelverhärtung, wegen der er zuletzt individuell trainierte, wird ihn daran laut van Gaal nicht hindern. "Ich denke, dass er spielen kann", sagte der Coach. Einen kleinen Einblick ins Seelenleben seines Kumpels Ribery gab derweil Bayern-Verteidiger Daniel van Buyten. "Franck hat sehr gut trainiert, ist topmotiviert und froh, spielen zu können. In dieser wichtigen Phase konzentriert er sich voll auf die Spiele. Über die Zukunft macht er sich dann später Gedanken", sagte er.
Christian Nerlinger (Foto: firo).
Weil sich Ribery nach langwierigen Verletzungsproblemen zuletzt gesteigert hat und sein Flügelzangenpartner Arjen Robben in der Form seines Lebens ist, rechnet der FC Bayern sich gute Chancen aus. "Für unsere Gegner ist das das große Problem, dass wir nicht nur Ribery, sondern auch Robben haben", sagte van Gaal, der die Abschlusseinheit wegen eines Trauerfalls Assistent Andries Jonker überließ.
Ungeachtet des Wirbels um Ribery und der Absenz der gesperrten Mark van Bommel und Holger Badstuber glauben die Bayern an den Sieg. "Wir nehmen Lyon sehr ernst, aber wir sind auch so selbstbewusst zu sagen: Wir trauen uns das zu", sagte Nerlinger. Angreifer Ivica Olic meinte: "Wir wollen Geschichte schreiben" - und als sechster Verein das Triple aus Meisterschaft, Pokal und Champions League gewinnen. Beckenbauer nannte die Bayern "leicht favorisiert".
Van Gaal lobte Lyon nach seinem Video-Studium zwar ausführlich, doch auch der siebenmalige französische Titelträger hat Probleme. Er ist durch Sidney Govou ebenfalls von der Affäre betroffen, hat sich in einer öffentlichen Erklärung aber hinter den Angreifer gestellt. Mit Lisandro Lopez (Knöchel) droht zudem der beste Stürmer auszufallen, in der Defensive fehlen drei Spieler. Wegen der Aschewolke über Europa musste der Halbfinal-Debütant auch noch in Kleinbussen über Stuttgart anreisen. "Das war hart", sagte der Ex-Leverkusener Cris über den 860-km-Trip. Der Respekt der Lyonnais ist zudem groß. "Es wird richtig schwierig bei den Bayern. Die haben Robben und Ribery, und die beiden sind richtig gut drauf", sagte Trainer Claude Puel.