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VfL-Legende Lothar Woelk im Gespräch
Der unbedingte Wille, nicht absteigen zu wollen

VfL-Legende Lothar Woelk im Gespräch
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Im hinteren Teil des Cafés Kristall in Recklinghausen-Süd hält eine Damenriege ihr munteres Kaffeekränzchen ab, während ich mit Lothar Woelk an der großen Fensterfront sitze. Unser Blick geht direkt auf den gegenüberliegenden katholischen Friedhof.

Ist Ihr Spitzname „Netzer“ auch eine Legende?

Nicht ganz. Meine Lieblingsposition war eigentlich in der Kreativabteilung des Mittelfeldes hinter den Spitzen. Beim VfL spielte ich meistens nur in der Abwehr, aber zumindest im Training nahm ich mir mehr Freiheiten. Den Spitznamen hat mir schließlich Christian Gross verpasst, der heutige Trainer des FC Basel. Der kam 1980 von Xamax Neuchâtel zum VfL und hatte in der Schweizer Liga noch gegen Netzer gespielt. Irgendwann beim Training rief er mir dann zu: „Hey Jünter, gib mal den Ball rüber.“ Aus „Jünter“ wurde schließlich „Netzer“. Ob mir der Spitzname aufgrund meiner technischen Fähigkeiten verliehen wurde, oder ob es vielleicht auch daran lag, dass ich ab und an das Spiel meiner Kollegen kritisch kommentierte, sei dahingestellt. (Lacht.)

Lothar Woelk

(*03. August 1954) stand von1977 bis 1989 in 385 Bundesligaeinsätzen für den VfL Bochum auf dem Platz. Ist damit hinter Ata Lameck (518 Einsätze) „Nummer Zwei“ der Rekordspieler des Vereins. 1989 bis 1992 folgten noch in Liga Eins und Zwei 99 Einsätze für den MSV Duisburg. Als er 1992 das erste Mal abstieg, beendete er seine Karriere.

Mit ihren wilden Aussehen und ihrer Kampfkraft verkörperten Sie geradezu den Willen des VfL, nicht abzusteigen.

Ja, aber das wird auch übertrieben. Wir waren sehr oft im Mittelfeld platziert und hatten nur selten, etwas mit dem Abstieg zu tun. An dieser Stelle ist Uli Hoeness ein gutes Beispiel. Er sagt immer: „Wenn ein Spieler zum FC Bayern München kommt, wird vom Verein vorgegeben: Wir wollen Deutscher Meister werden und die Champions League gewinnen. Wenn ein Spieler mit diesem Druck nicht klar kommt, hat er bei uns eben nichts verloren.“ Diesen Spirit hatten wir auch beim VfL. Wer an die Castroper Straße kam, musste begreifen, dass man durchaus mal schlecht spielen konnte, aber mit dieser Truppe nie und nimmer absteigen durfte. Das zogen wir quasi schon bei den ersten Vertragsgesprächen mit der Muttermilch ein, und genauso wie Oliver Kahn bei Bayern die Sieger-Mentalität vorgelebt hat, haben bei uns Leute wie Ata Lameck, Walter Oswald und später wohl auch meine Person die Beharrlichkeit demonstriert, die Bundesliga zu erhalten.

Fehlt das derzeit beim VfL, der zum Jahreswechsel auf einem Abstiegsplatz steht?

Ich habe das letzte Spiel gegen den 1. FC Köln im Stadion gesehen, und mir hat tatsächlich dieser unbedingte Wille gefehlt, das Spiel gewinnen zu wollen. Ich will jetzt nicht von früher anfangen, aber ich denke schon, dass zu unserer Zeit wenigstens dieser Wille selbst auf den hintersten Rängen des Ruhrstadions zu spüren war. Die Jungens können Fußball spielen, sie wollen es auch, aber vielleicht muss man in dieser Situation erst einmal den Gegner niederkämpfen. Diese Präsenz habe ich vermisst.

„Was mich nervt, ist die entstandene Theatralik. Fouls gehören zum Fußball, aber heute wälzt sich jeder Gefoulte dreimal am Boden und schreit herum. Wenn man früher einen Kevin Keegan attackierte, sagte er nur: ‚No problem. Come on, boy!’ Man entschuldigte sich, und die Sache war erledigt.“

Würde dem VfL ein Trainerwechsel helfen?

Es ist nicht meine Sache, das zu entscheiden. Ich denke: Entweder macht man es jetzt oder man macht es gar nicht. Und scheinbar bleibt Koller. Dabei ist die Situation brisant, denn im ersten Spiel geht es gleich zu Hause gegen den Karlsruher SC. Wenn man da verliert, wird die Trainerdiskussion wieder lichterloh entbrennen. Aber was soll ein anderer Trainer dann noch ausrichten? Dann kannst du nur einen typischen Bespaßer holen, der dir den Kopf für ein paar Wochen und ein paar Spiele frei machen kann.

Wären neue Spieler weine Lösung?

Neue Qualität ist immer wichtig. Bloß halte ich es im Abstiegskampf für falsch, auf ältere Spieler zu setzen, die schon ein- oder zweimal abgestiegen sind. Das ist wie ein Makel auf der weißen Weste. Der Spieler wird kämpfen, aber irgendwo fehlt ihm dieses letzte i-Tüpfelchen Energie. Irgendwann, wenn er in diesem Strudel drin ist, wird er denken: „Ach, das ist wie in soundso. Da sind wir auch abgestiegen.“ So einer ist wie ein Montagsauto, selbst wenn es von Mercedes oder BMW kommt: Du kannst machen, was du willst, letztlich kriegst du die Macke nicht heraus.

Gibt es Ähnlichkeiten zwischen dem Verhalten eines Spielers auf dem Platz und seinem privaten Charakter?

Mir hat man immer nachgesagt, ich wäre wie Dr. Jekyll und Mister Hyde. Also privat ein ganz anderer als auf dem Fußballplatz. Ich wollte halt auf dem Platz immer gewinnen, und diese Mentalität habe ich mir regelrecht antrainiert. Ich empfand es auch als Verpflichtung gegenüber dem Publikum. Die Fans wollen gute Spiele und Siege sehen, aber wenn du alles gibst und in der letzten Minute unglücklich verlierst, dann verzeihen sie dir das auch. Denn Fußball ist ja keine Verarsche, sondern Wahrheit.

Herr Woelk, ich danke für das Gespräch!

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