Wer im Jahr 2023 solche Zeilen liest, mag es kaum glauben. Olaf Thon sagte dieser Zeitung über den FC Schalke 04 einmal: "Was Schalkes Geschichte angeht, muss man Ernst Kuzorra und Rudi Assauer nach ganz oben stellen. Alle anderen kommen darunter." Vor 30 Jahren stand Assauers historische zweite Amtszeit als Manager unmittelbar bevor. Was viele vergessen haben: Es war die Idee von Präsident Günter Eichberg, nur wenige Fans und Gremienmitglieder konnten dieser Idee etwas abgewinnen. Ganz im Gegenteil.
Die WAZ berichtete 23. März 1993, dass "mindestens sechs Mitglieder des Verwaltungsrates gegen Assauer votierten." Vizepräsident Herbert Schmitz habe mit Rücktritt gedroht: "Mit mir braucht keiner mehr über Assauer zu sprechen - meine Meinung steht fest." Sportlich steckte Schalke in der ersten Saison nach dem Wiederaufstieg mitten im Abstiegskampf, die Personalie Assauer sorgte zusätzlich für erhebliche Unruhe.
Doch warum war Assauer so unbeliebt? Am 14. März 1993 erklärte das RevierSport so: "Vergessliche oder jüngere Schalke-Fans werde sich irritiert fragen, warum Assauer schon vor seinem Arbeitsbeginn derart attackiert wird. Schalke und Assauer - eine eigene, höchst wechselvolle Geschichte." 1981 hatte Assauers erste Amtszeit begonnen - Schalke stieg 1982 auf, aber ein Jahr später direkt wieder ab. Wie RevierSport schreibt: "Assauers Bremer Modell ,Rentnerband' hatte sich auf Schalke nicht übertragen lassen".
Assauer hätte Norbert Nigbur und Charly Neumann "verbannt" und "Geld besorgt, aber es wieder aus dem Fenster geschmissen." 1984 stieg Schalke wieder auf, Assauers Verhältnis zu Präsident Dr. Hans-Joachim Fenne sei aber "immer schlechter" geworden, Assauer habe Fenne nur noch "Pfeife" genannt. Am 3. Dezember 1986 wurde Assauer dann entlassen, entscheidender Punkt war sein zerrüttetes Verhältnis zu Trainer Rolf Schafstall. Er tönte: "Nie wieder Fußball."
Schalke: Assauer ein "unterkühlt wirkender" Kaufmann?
Bei den Fans sei er da schon untendurch gewesen. Ein Plakat hing im Parkstadion: "Wenn Assauer kommt - gehen wir!" Die Gründe laut RevierSport: Assauer sei ein "unterkühlt wirkender" Kaufmann und Fußball-Fachmann. Für Millionen-Defizite in seiner Amtszeit galt Assauer als verantwortlicher Buhmann. Zu den Medien sei er "schroff" und "arrogant" gewesen. Gerüchte hätte es um Umsatz-Beteiligungen in seinem Vertrag und eine Berater-Tätigkeit für Olaf Thon gegeben.
Im Verein habe eine "Kühlschrank-Atmosphäre" geherrscht. Auf einer ganzen Seite druckte RevierSport am 19. März 1993 Leser-Reaktionen, die meisten negativ. Es hieß: "Herr Eichberg, wenn sie den Zorn aller ehrlich arbeitenden Schalker auf sich lenken wollen, holen sie Assauer." Ein anderer: "Der ,Kohlenpott-Ganove' und ,General-Absahner' Assauer gibt uns den Rest." Der Nächste: "Sonnenkönig Eichberg plus Mondkönig Assauer gleich Schalkes Sonnenfinsternis." Und noch einer: "Ein Rudi Assauer kann das Problem auf Schalke niemals lösen." Nur zwei Leser lobten: "Assauer ist der beste Mann, den Eichberg kriegen kann." Der zweite schrieb: "Gute Alternative."
Assauer selbst nahm die Anfeindungen locker, sagte dem Kicker: "Damals wurde vieles falsch wiedergegeben. Dass es einige Fans gibt, die nicht positiv über mich denken, liegt in der Natur der Sache." Am 1. April 1993 übernahm er trotz der Wut vieler Schalker das Manageramt - und die große Erfolgsgeschichte begann. Der erstmaligen Qualifikation für den Europapokal seit vielen Jahren im Sommer 1996 folgte der Triumph im Uefa-Cup 1997. Weitere Titel: der DFB-Pokal 2001 und 2002. Zudem öffnete 2001 die vor allem von Assauer protegierte Arena.
Acht Jahre zuvor schienen die Ovationen für Assauer noch undenkbar.