Seit Thomas Gill beim MSV Duisburg zwischen den Pfosten stand, sind viele Jahre vergangen. Anfang 1999 verließ der norwegische Torhüter Meiderich nach zweieinhalb erfolgreichen Jahren mit dem Einzug ins DFB-Pokalfinale 1998 als Krönung.
Ein knappes Vierteljahrhundert später ist Gill den Zebras noch eng verbunden. Der fünfmalige Nationalspieler stand auch in Dänemark, Österreich, Schottland und natürlich in seiner norwegischen Heimat unter Vertrag, bestritt aber für keinen Verein mehr Partien als für den MSV.
"Mein Herz hängt noch immer an Duisburg", sagt Gill, als RS ihn erreicht - und ihn fragt: Was macht eigentlich Thomas Gill?
"Ich bin im Immobiliengeschäft tätig und scoute für einen Top-Verein aus Oslo", antwortet der 58-Jährige. Dafür ist er meistens auf den Plätzen in und rund um die norwegische Hauptstadt unterwegs. Dort gebe es viele spannende Talente. "Ich bin sehr zufrieden", sagt Gill lachend.
Ich bin mir sicher, dass der MSV bessere Zeiten vor sich hat. Auf Dauer wird sich das riesige Potenzial wieder entfalten
Thomas Gill
Bezogen auf den MSV gilt diese Aussage aber nicht, denn sein früherer Klub bereitet Gill große Sorgen. Die aktuelle Situation sei sehr traurig, findet er. "Das hat ein Verein mit dieser Tradition, den tollen Fans und dem tollen Stadion nicht verdient."
Mit weiteren Bewertungen möchte er sich aber zurückhalten. "Es wäre unangebracht, die Verantwortlichen zu kritisieren. Ich weiß, dass sie ihr Bestes für den Verein versuchen", meint Gill, der bei einem Besuch an der Wedau vor einigen Monaten Präsident Ingo Wald kennenlernte.
Der Skandinavier bleibt positiv: "Ich bin mir sicher, dass der MSV bessere Zeiten vor sich hat. Auf Dauer wird sich das riesige Potenzial wieder entfalten." Dafür brauche es frischen Wind und ein klares Konzept.
Eben so, wie es Gill zu seiner aktiven Zeit erlebt hatte. "Viele tolle Persönlichkeiten" lernte er an der Wedau kennen. "Wir hatten viel Qualität in der Mannschaft, im Trainerteam und im Management." Nicht aus Zufall hätten der damalige Chefcoach Friedhelm Funkel und Assistent Seppo Eichkorn anschließend noch viele Jahre auf höchstem Niveau gearbeitet. "Sie waren ihrer Zeit voraus."
Niederlage gegen FC Bayern im Pokalfinale
Gill kam damals von Sturm Graz zum frischgebackenen Bundesliga-Aufsteiger und belegte mit dem MSV zweimal in Serie einen Platz im Mittelfeld der Tabelle. Den größten Erfolg verbuchten er und seine Teamkollegen aber im DFB-Pokal.
Erst im Finale scheiterte Duisburg am FC Bayern - nach Führung, einem Last-Minute-Gegentreffer und der Verletzung von Torschütze Bachirou Salou. Anschließend wurde Gill von seinem Gegenüber Oliver Kahn getröstet, nachdem er im Halbfinale selbst im Fokus stand.
Der Torhüter hielt beim 11:10 gegen Eintracht Trier zwar keinen Elfmeter, glänzte aber als Schütze und verwandelte den siegbringenden Versuch. Fotos von seinem anschließendem Jubel mit angespannten Oberarmen und irrem Blick sorgten für Aufsehen. "Ich wollte dieses Spiel einfach unbedingt gewinnen", sagt Gill im Rückblick. "Vielleicht habe ich mich ein bisschen zu sehr gefreut."
Funkel nannte MSV-Torhüter Gill "Amateur"
Von "Big Memories" spricht der Ex-Profi im Rückblick auf die Pokalsaison. "Wir haben damals Geschichte geschrieben." Als noch einprägsamer hat Gill aber eine Episode mit Trainer Funkel in Erinnerung. "Bei einem meiner ersten Trainings hat er mir gesagt: Du bist ein Amateur. Das hat mich ziemlich geschockt."
Anschließend habe Funkel den Schlussmann auf sein Hotelzimmer eingeladen und ihm erklärt, wie er als Profi leben müsse. "Es ging um viele kleine Details, wie Ernährung und Schlaf. Das kannte ich von meinen vorherigen Vereinen noch nicht. Ich sollte zum Beispiel keine Cola mehr trinken", erinnert sich Gill. "Funkel meinte, wir müssen in Duisburg härter arbeiten als bei allen anderen Vereinen, um mit unseren bescheidenen Mitteln konkurrenzfähig in der Bundesliga zu sein."
Gill gelobte Besserung - und das mit Erfolg: "Einige Monate später hat er mich wieder zu sich geholt und gesagt: Jetzt bist du ein Profi."