391 Tage war Rot-Weiss Essen ohne Pflichtspiel-Niederlage - bis Steven Lewerenz kam. Mit einem Augenzwinkern könnte man dies so stehen lassen. "Ja, ich musste mir nach dem 0:3 gegen Düsseldorf von unserem Torwarttrainer Manuel Lenz auch einiges anhören lassen. Da fiel auch das Wort Seuchenvogel in meine Richtung", sagt der 29-Jährige, der in Duisburg wohnt, mit einem Lächeln.
Das Debüt des Neu-Esseners ging am Freitag in die Hose. 16 Minuten kam Lewerenz das erste Mal für RWE zum Einsatz und die 13 Monate lange Erfolgsserie der Rot-Weissen riss gegen die U23 der Fortuna. "Sehr bitter. Anders kann man das nicht zusammenfassen. Die Mannschaft hat echt ein gutes Spiel gemacht. Die Chancen waren da, aber der Ball wollte nicht rein. Leider gibt es manchmal solche Tage. Ich bin mir aber sicher, dass uns das noch stärker machen wird", betont der Flügelflitzer.
Lewerenz erlebte eine tolle Zeit in Kiel - inklusive einem Fast-Bundesliga-Aufstieg
Lewerenz, der zuletzt für Viktoria Köln am Ball war, wurde nach eigener Angabe "super" von der rot-weissen Mannschaft aufgenommen. Das erlebte er in der Vergangenheit bei manch einem seiner Wechsel auch schon anders. Lewerenz: "Manchmal dauert eine Akklimatisation auch länger. Aber in Essen war wirklich alles von Beginn an top. Die Spieler kamen auf mich zu, ich auf sie, wir haben viel gesprochen, gelacht. Sie sagten mir, dass sie hoffen, dass ich der Mannschaft helfen kann beim großen Ziel Aufstieg. Ich habe von Tag eins gemerkt, dass das hier eine echte Einheit ist, die nur ein Ziel verfolgt: den Aufstieg, den großen Erfolg."
Wie man aufsteigt, das weiß der vierfache Familienvater, dessen Ehefrau mit den Kindern in Stuttgart heimisch ist, nur zu genau. Mit Holstein Kiel - Lewerenz bestritt für die KSV in dreieinhalb Jahren 110 Spiele (30 Tore, 23 Vorlagen) - ist ihm der Aufstieg aus der 3. in die 2. Liga gelungen. Fast wäre er dann mit den Störchen von der Kieler Förde in der Bundesliga gelandet. "Wir sind dann leider in der Relegation gegen Wolfsburg gescheitert. Das war eine super Zeit in Kiel. Bislang zweifelsohne meine beste in der Karriere", erzählt der offensive Mittelfeldspieler, der neben 81 Drittliga-Begegnungen (27 Treffer) auch schon 41 Mal (acht) in der 2. Bundesliga auflief.
Lewerenz über RWE: "Ein sehr großer Klub, der auf dem Vormarsch ist"
Einst wäre er fast in die Bundesliga aufgestiegen und nun kämpft er mit 29 Jahren um den Aufstieg in die 3. Liga. Ein Rückschritt, gar ein Abstieg? Nicht aus Sicht des gebürtigen Hamburgers. "Zum einen muss man ehrlich sagen, dass der Markt für Profifußballer in Zeiten der Corona-Pandemie schwerer geworden ist. Man muss auch mal zurückstecken. Doch bei RWE sehe ich das nicht so. Ich hatte Glück, dass mich solch ein Verein verpflichten wollte", sagt er und ergänzt: "Essen ist ein sehr großer Verein, der auf dem Vormarsch ist. Hier kann man noch sehr viel erreichen. Ich bin hierher gekommen, um Aufstiege zu feiern. Den ersten Schritt wollen wir schon in diesem Sommer machen. Die Chancen steht wirklich gut. Die Düsseldorf-Niederlage wird uns da nicht umwerfen."
Und auch im DFB-Pokal stehen die Chancen auf einen Halbfinale-Einzug nicht schlecht. Dass es ausgerechnet im Kampf um die vier Semifinal-Tickets gegen Kiel geht, findet Lewerenz zusätzlich motivierend. "Man spielt immer gerne gegen seine Ex-Klubs. Die Vorfreude ist jetzt schon da, am Spieltag wird der Adrenalinspiegel dann sehr hoch sein. Wenn wir wieder alles reinhauen, wie ich es gegen Leverkusen schon gesehen habe, dann ist alles möglich. Wir wollen die Essener Fans und uns glücklich machen und die nächste Überraschung schaffen", betont er.
Die Essener Fans? Die hat Lewerenz noch nicht erlebt - weder als RWE-Spieler noch als Gegner. Das soll in Zukunft aber endlich passieren. Lewerenz: "Ich hoffe, dass die Stadien bald wieder mit Fans gefüllt werden können. Für sie, für die Atmosphäre, für das Doping von den Tribünen, oder auch die Antipathie der gegnerischen Fans, dafür spielen wir Fußball. Das ist geil! Das sind Emotionen. Auch darum fiel es mir einfach, zu Rot-Weiss Essen zu wechseln. Dieser Verein verkörpert alles, was sich ein emotionaler Fußballer wünscht. Ich wünsche es mir sehr, dass ich die RWE-Fans schon bald in Aktion erleben darf."?