Gefühlvoller Hackentrick, leichtfüßiges Hochhalten, kurzer Sprint: Wenn Willi „Ente“ Lippens im Alter von 75 Jahren auf dem Rasen des Essener Stadions an der Hafenstraße gegen den Ball tritt, bekommt die RWE-Ikone das Strahlen nicht mehr aus seinem von einem Mund-Nasen-Schutz bedeckten Gesicht. Vor dem Schlager seines Herzensvereins Rot-Weiss Essen am Dienstag (18.30 Uhr/Sky) im DFB-Pokal-Achtelfinale gegen den großen Favoriten Bayer Leverkusen sprüht der Essener-Rekordtorschütze an alter Wirkungsstätte nur so vor Aufregung.
„Tags vorher werde ich nicht schlafen und mich warmlaufen, sehr wahrscheinlich“, sagte Lippens dem SID bei einem Termin mit dem DFB-Pokal-Partner Ergo. Auch 40 Jahre nach seinem letzten Auftritt im rot-weißen Dress lodert das Feuer in ihm, wenn RWE spielt. „Rot-Weiss Essen ist mein Leben“, bekennt Lippens.
Lippens spielte von 1965 bis 1976 und von 1979 bis 1981 für seine große Liebe. Für RWE stand er in seiner Karriere insgesamt 449-mal auf dem Platz und markierte 237 Treffer. Für Lippens, dessen Sprüche legendär waren und dessen Laufstil ihm einst seinen markanten Spitznamen verlieh, war der DFB-Pokal schon zu seiner aktiven Zeit „immer eine riesige Geschichte“, berichtete er leidenschaftlich: „Es war immer proppenvoll bei uns. Das war mein Ding, von der Atmosphäre habe ich gelebt.“
Doch auf genau diese berühmt-berüchtigte Atmosphäre an der Hafenstraße muss der Regionalligist am Dienstagabend verzichten. Die Essener Polizei gab am Sonntagmorgen vorsorglich sogar eine deutliche Warnung an die RWE-Fans raus, sollte der Traditionsklub völlig überraschend das Viertelfinale erreichen.
„Zu einer Ansammlung, wie es sie nach dem Spiel gegen Fortuna Düsseldorf am 23. Dezember vergangenen Jahres gab, darf es unter Berücksichtigung der derzeitigen Infektionslage nicht kommen“, schrieb die Polizei in einer Pressemitteilung.
Lippens glaubt trotz der besonderen Umstände an seinen RWE: „Für die Leverkusener ist es halt ein Auswärtsspiel“, betonte Lippens: „Ich kann nur raten, keine Angst zu haben, auch mal forezuchecken und den Gegner unter Druck zu setzen. Und dann wollen wa“ mal sehen, was passiert", sagte Lippens im typischen Kohlenpott-Slang.
Der Zeitpunkt des West-Duells könnte aus Essener Sicht jedenfalls besser kaum gewählt sein. Nach einem fantastischen Saisonstart sucht der Vorjahresfinalist aus Leverkusen im neuen Jahr verzweifelt nach seiner Form. Nur zwei der letzten acht Pflichtspiele gewann Bayer, hinzu kommen große Personalsorgen.
Ganz anders sieht die Formkurve der Essener aus: Die letzte Pflichtspielniederlage ist am Dienstag fast auf den Tag genau ein Jahr her. Nach 22 Spieltagen ist RWE mit einem Spiel weniger hinter Borussia Dortmund II auf Platz zwei und träumt von der lang ersehnten Rückkehr in den Profifußball - und am Dienstag vom Einzug ins Pokal-Viertelfinale. „Man würde ganz Fußball-Deutschland zeigen, dass wir noch da sind. Wir leben noch“, sagte Lippens.
RWE-Torjäger Simon Engelmann freut sich auf das Duell und sagte bei dem Ergo-Termin dem SID: „Auch Regionalligamannschaften können Fußball spielen. Wir sind auch alle Profis. Wir machen es keiner Mannschaft leicht. Wenn man dann mit ein bisschen Glück vorne ein Tor macht, kann man auch eine Runde weiterkommen.“ sid