An diesem Dienstag ist er wieder da: Zum ersten Mal nach seiner Rückkehr trägt Sead Kolasinac in einer Trainingseinheit wieder den Dress des FC Schalke 04 – der 27-Jährige verkörpert das, was den Königsblauen fehlt: Er ist eine aggressive Führungsfigur, ein Publikumsliebling. Einer, den die Schalker selbst ausgebildet haben.
Spieler aus der Knappenschmiede gibt es bereits im Kader, doch kein Talent hat bisher den Durchbruch geschafft. Und für diese kleine Gruppe steht keiner so sehr wie Ahmed Kutucu. Dem 20-Jährigen steht nun ein Wechsel bevor. Nach Informationen dieser Redaktion sind drei türkische Vereine daran interessiert, den zweimaligen türkischen Nationalspieler auszuleihen, darunter Fenerbahce Istanbul. Es gibt auch lose Anfragen aus der Bundesliga. Schalke würde den Stürmer auch gehen lassen, eventuell sogar eine Kaufoption festschreiben. Kutucu, den gebürtigen Gelsenkirchener. Kutucu, den Liebling vieler Fans. Wie konnte es so weit kommen?
Vor etwas mehr als zwei Jahren feierte er sein Bundesliga-Debüt. Der damalige Trainer Domenico Tedesco wechselte Kutucu beim 1:1 gegen den FC Augsburg ein. Inzwischen sind 42 weitere Spiele und fünf Tore hinzugekommen, davon aber nur sechs Partien von Beginn an. Nach Tedesco trauten auch Huub Stevens, David Wagner und Manuel Baum dem jungen Angreifer nicht den Durchbruch zu.
Im ersten Spiel des neuen Trainers Christian Gross bei Hertha BSC (0:3) stürmte Matthew Hoppe, gerade aus der U23 aufgerückt. Unter Tedesco und Stevens (Saison 2018/2019) war noch klar, warum Kutucu nicht spielte: Er war gerade erst aus der U19 aufgerückt, konnte noch keine richtig große Hilfe im Abstiegskampf sein. Unter Wagner bestritt er in der Saison 2019/2020 zwar 25 Spiele (drei Tore) und gehörte fast immer zum Kader, doch von einem Stammplatz war er weit entfernt. „Ahmed hat ganz, ganz viele Qualitäten“, sagte Wagner. „Eine ist seine Unbekümmertheit. Er ist einer unserer stärksten Einwechselspieler, weil er direkt da ist und das Stadion mitnehmen kann.“
Mit Baum kam neue Hoffnung
Doch Schwächen, das sagte Wagner auch, hätte Kutucu vor allem im taktischen Bereich, in der Arbeit gegen den Ball, beim Pressing. Da könne er noch „extrem viel dazulernen“.
Kutucu war im Sommer 2020 pessimistisch, dass es unter Wagner besser laufen würde, und gab seine Zustimmung, sich ausleihen zu lassen. Er vermisste Wagners Rückhalt, die Gespräche seien über „Du musst mehr machen“ selten hinausgekommen, heißt es aus seinem Umfeld. Interessierte Vereine gab es genug – aus der Bundesliga Mainz 05 und Arminia Bielefeld, aus Italien Parma und Sassuolo.
Doch kurz vor dem Ende der Transferperiode übernahm Baum das Team von Wagner und sprach sich für Kutucu aus. Baum war durchaus optimistisch. „Ich habe ihm gesagt: Ahmed, ich kann mich genau an dein erstes Bundesligaspiel erinnern. Das war zufällig gegen den FC Augsburg, als ich Trainer war“, erzählte Baum. „Als er eingewechselt wurde, hat er Betrieb gemacht und war schwer zu greifen. Und dieses Bild habe ich von Ahmed im Kopf. Das möchte ich bei ihm herauskitzeln.“
Von den 13 Pflichtspielen unter Baums Regie bestritt Kutucu aber nur fünf, der längste Einsatz dauerte 34 Minuten. Sollte Kutucu nun wechseln, blieben dennoch weitere Talente, die aktuell wenig zum Zug kommen. Der jüngste Nachrücker ist Matthew Hoppe, in Berlin gehörte er sogar zur Startelf. „Er haut sich voll rein“, lobte Sturm-Kollege Mark Uth. „Aber es ist halt schwer in der Bundesliga.“ Ein Satz, der auch für Nassim Boujellab, Malick Thiaw, Can Bozdogan, Levent Mercan und Timo Becker gilt.