Der MSV Duisburg hat eine turbulente Woche hinter sich. Am Montag unterlagen die Duisburger Viktoria Köln mit 1:3, am Dienstagmorgen folgte die Entlassung von Trainer Torsten Lieberknecht und am Donnerstag die offizielle Vorstellung des Nachfolgers: Gino Lettieri. Am Samstag geht es für Duisburg - ohne Lettieri, da er aufgrund fehlender Corona-Tests erst ab Sonntag übernimmt - nach München zu Türkgücü.
Die Geschehnisse rund um den MSV beobachtet Joachim Hopp mit sehr viel Interesse. Der 54-jährige gebürtige Duisburger spielte einst acht Jahre zwischen 1990 und 1998 für den MSV. In der 1. Bundesliga bestritt Hopp 83 Spiele (vier Tore). Später stand er als Profi noch bei Rot-Weiß Oberhausen und dem KFC Uerdingen unter Vertrag. Insgesamt kam er noch auf 77 Einsätze in der 2. und 35 Begegnungen in der Regionalliga.
Aktuell ist Hopp, der in den letzten Jahren als Amateur-Trainer beim 1. FC Wülfrath und den Sportfreunden Hamborn arbeitete, MSV-Beobachter und Fan des Klubs.
RevierSport hat mit dem Fanliebling früherer Tage gesprochen.
Joachim Hopp, wie bewerten Sie den Saisonstart des MSV Duisburg?
Dass das enttäuschend ist, ist ja gar keine Frage. Der Punkteschnitt ist natürlich nicht gut. Aber eins ist auch klar: Aktuell, in dieser Corona-Pandemie, ist es nicht einfach für einen Trainer zu arbeiten. Du weißt ja nicht, welches Material du zur Verfügung hast. Der MSV hatte auch schon Corona-Fälle und Verletzungen. Überhaupt will ich mal allgemein zu diesem Thema etwas loswerden. In der Bundesliga ist das ja schon so, dass Mannschaften acht oder neun Corona-Fälle hatten - Wahnsinn! Da frage ich mich, was machen die Jungs den ganzen Tag, wo stecken sie sich an? Das sind hoch bezahlte Profis, die in diesen scheiß Zeiten nur trainieren und nach Hause fahren sollen. Da wird sich um die Freundin oder Familie gekümmert und am nächsten Tag wieder trainiert. Aber manche haben da wohl eine andere Definition von Verantwortungsbewusstsein. Schlimm!
Zurück zum MSV: War der Trainerwechsel zu diesem Zeitpunkt richtig?
Es ist kein Geheimnis, dass ich Torsten Lieberknecht unterstützt habe. Wir haben viele U19-Spiele zusammen geschaut und viel geredet. Ein sehr sympathischer Zeitgenosse. Aber trotzdem: auch Torsten wird wissen, dass die jüngere Vergangenheit nicht gut war. Nach Corona hat der MSV den Aufstieg verspielt. Jetzt ist der Saisonstart misslungen. Zudem waren die Auswechslungen nicht immer glücklich. Auch die Startelf-Änderungen waren, meiner Meinung nach, etwas unglücklich. Ich habe persönlich eine Stammformation vermisst. Mir wurde da zu viel gewechselt und experimentiert.
Ist Gino Lettieri eine gute Wahl? Vorweg: Trainer, die noch frisch sind, sind zu teuer für den MSV. Für Lettieri hat mit Sicherheit auch die finanzielle Geschichte den Ausschlag gegeben. Das ist doch kein Geheimnis, dass der MSV auf die Kohle schauen muss. Die Verantwortlichen haben sich bei der Wahl schon Gedanken gemacht. Lettieri ist jemand, der den Verein kennt. Vielleicht hat er bei seinem ersten Mal in Duisburg den MSV unterschätzt. Mein Gefühl war, dass ihm gar nicht bewusst war, welche Strahlkraft und Power die Fans des MSV haben. Wenn es läuft, sind hier immer 15.000 bis 20.000 Menschen im Stadion. Jetzt wird er wohl darauf vorbereitet sein.
Was wird die Aufgabe von Lettieri sein? Die Mannschaft noch zum Aufstieg zu führen? Über Aufstieg sollte erst einmal nicht mehr gesprochen werden. Es muss Konstanz in die Ergebnisse kommen. Man kann nicht ein Spiel gewinnen, dann zwei wieder verlieren, dann gewinnen. So bleibt man unten hängen. Deshalb gilt es erst einmal, bis zum Jahresende so viele Punkte wie möglich zu holen. Wenn man dann auf Schlagdistanz ist, dann hat der MSV immer noch Gönner, die den Verein oben sehen wollen und sicherlich etwas Kohle locker machen für die eine oder andere Verstärkung. Ich erwarte von Lettieri jetzt mal eine harte Ansprache an die Mannschaft, ohne persönlich zu werden. Die Jungs sollen trainieren, nach Hause fahren, sich pflegen und wieder trainieren. Alles für den MSV und den Erfolg tun. Wir befinden uns in der Pandemie, da sollen sie sich freuen, dass sie weiter Fußball spielen dürfen - mehr sollen sie gar nicht machen.
Was würde passieren, wenn der MSV absteigt? Daran will ich gar nicht denken. Das wäre der Super-Gau und der Klub würde immense Probleme bekommen. Man sieht ja an Rot-Weiß Oberhausen oder Rot-Weiss Essen, wie schwer es ist wieder hochzukommen. Aber: Man muss aufpassen. Münster hätte auch nie geglaubt, dass sie absteigen. Nach zehn Jahren in der 3. Liga ist das dann passiert.
Muss sich in diesen Zeiten auch Ivica Grlic hinterfragen? Jeder muss sich hinterfragen. Niemand hat einen Freifahrtschein. Aber glauben Sie mir: Ivo Grlic geht auch mit Magenschmerzen ins Bett und steht mit Magenschmerzen wieder auf. Er hat mit der Situation zu kämpfen. Da bin ich mir zu 100 Prozent sicher. Er hat ein großes MSV-Herz. Ivo ist sich auch bewusst, dass es um viele Arbeitsplätze geht. Beim MSV wird es erst wieder entspannter, ruhiger, wenn der Verein in der 2. Bundesliga spielt.