Herr Zwanziger, die A-Nationalmannschaft hat die WM-Qualifikation souverän gemeistert, die U21 hat beim Gewinn des EM-Titels begeistert, und auch die deutschen Frauen sind bei der Europameisterschaft ihrer Favoritenrolle einmal mehr gerecht geworden. Sportlich hätte es für den DFB im Jahr 2009 kaum besser laufen können, oder? Rein sportlich gesehen haben wir unsere Erwartungen nicht erfüllt, sogar übertroffen. Vor allem die Titel unserer Junioren kann man gar nicht oft genug hervorheben. Schließlich wissen wir ja auch, was andere Länder leisten. Die Spanier haben eine sehr gute Jugendarbeit, auch die Schweiz hat mächtig aufgeholt. Wenn man sich in den europäischen Wettbewerben dann so oft durchsetzt, kann man wirklich stolz auf die Mannschaften, die Trainer und den Sportdirektor sein.
Mit der Berufung Matthias Sammers zum DFB-Sportdirektor wurden auch Weichen für die späteren Erfolge gestellt. Wie wichtig war dabei das Bekenntnis Sammers zur Eliteförderung?
Ich betrachte die Nachwuchsarbeit ganzheitlich. Aber es war natürlich sehr wichtig, dass aus unserer Talentförderung der Begriff der Elite entstanden ist. Denn die Eliteförderung hebt sich noch einmal deutlich von der normalen Nachwuchsarbeit ab. Es kommt nicht nur darauf an, Talente zu finden in der Breite. Sondern man muss sie auch so fordern, dass sie später den Anforderungen im Spitzenfußball gerecht werden. In diesem Konzept spielen auch die Nachwuchs-Leistungszentren der Liga eine große Rolle. Die Auswahl von Elitespielern muss für die Trainer groß sein. Es nutzt nichts, wenn man pro Jahrgang einen überragenden Spieler hat, der dann verhätschelt wird und später in der Versenkung verschwindet.
Aaron Hunt (Foto: firo).
Das von Ihnen beschriebene Konzept der DFB-Förderung für den Nachwuchs trägt Früchte. Die Auswahl für Bundestrainer Joachim Löw wird zunehmend größer, nun stehen Thomas Müller und Aaron Hunt vor ihrem Nationalmannschafts-Debüt. Können Sie die Kritik von Bayern-Manager Uli Hoeneß an dem Zeitpunkt der Müller-Nominierung nachvollziehen? Den Zeitpunkt müssen die Trainer entscheiden. Es kann keine generelle Vorgabe geben, wann ein Spieler zum ersten Mal in der Bundesliga spielt oder zum ersten Mal für ein Länderspiel nominiert wird. Ich denke, es ist richtig von Löw, gegen Chile und die Elfenbeinküste noch einmal zu experimentieren. Mir ist eine solche Situation natürlich viel lieber, als wenn wir keine Spieler in dem Alter hätten, die wir einladen könnten. Es ist doch toll zu sehen, wie sich ein Mesut Özil oder ein Thomas Müller zuletzt entwickelt haben. Vor ein paar Jahren haben wir noch ein Team 2006 gegründet, damit junge deutsche Spieler überhaupt Spielpraxis sammeln können. Jetzt wird darüber diskutiert, dass sie zu viel spielen.
Thema ist auch, dass es für die abschließenden beiden Länderspiele gegen die WM-Teilnehmer Chile und Elfenbeinküste noch reichlich Karten gibt. Wie erklären Sie sich den fehlenden Run auf die Tickets?
Die Nationalmannschaft ist der Deutschen liebstes Kind. Deshalb gibt es auch immer mal schnell Kritik, wenn das Team mal nicht so gut und attraktiv spielt. Aber wir können den Zuschauern mit dem Kauf einer Eintrittskarte nicht die Garantie dafür geben, dass es zu einem spannenden Spiel mit tollen Toren kommt. Ich bin mir aber absolut sicher, dass das Interesse an unserer Männer-Nationalmannschaft so stark ist wie eh und je.
Was erwarten Sie von der Mannschaft in den beiden Spielen zum Jahresausklang? Chile und die Elfenbeinküste sind immerhin WM-Teilnehmer.
Ich erwarte Leidenschaft. Das erwarte ich aber immer! Ich will, dass die Jungs im DFB-Trikot nicht leichtfertig mit dem Ruf der Nationalmannschaft spielen. Ich erwarte von jedem, der eine Chance erhält, dass er sich reinhängt und mit einer starken Leistung empfehlen will. Die Chilenen und die Ivorer sind starke Gegner, die sich in schwierigen Gruppen für die WM in Südafrika qualifiziert haben. Wir dürfen sie in diesen beiden Spielen nicht unterschätzen, das sind bereits Härtetests für die WM.
Kann die DFB-Auswahl am Kap der guten Hoffnung zum vierten Mal Weltmeister werden?
Ich glaube, dass Deutschland in Südafrika zum vierten Mal Weltmeister werden kann und wir gute Chancen haben, erstmals seit 1990 wieder den Titel zu gewinnen. Aber es gibt immer fünf, sechs Teams, die zum Kreis der engsten Favoriten zählen. In den entscheidenden Spielen ist dann viel von der Tagesform und dem nötigen Quäntchen Glück abhängig. Bei uns sind die wesentlichen Leitfiguren der WM 2006 bei der WM im kommenden Jahr im besten Fußballer-Alter. Ob Kapitän Michael Ballack oder jüngere Spieler wie Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger. Auch eine gute WM-Vorbereitung wird ganz entscheidend sein, um in Südafrika das große Ziel zu erreichen. Deshalb werden wir als Verband alles dafür tun, damit sich die Mannschaft ganz gezielt auf das Turnier vorbereiten kann.
Bundestrainer Joachim Löw (Foto: firo).
Bei einem WM-Titelgewinn bekäme Bundestrainer Joachim Löw sicher ein Denkmal gesetzt. Wann sollen denn die entscheidenden Vertragsgespräche mit dem Trainerstab um Löw geführt werden?
Es ist ja bekannt, dass wir uns unabhängig vom WM-Verlauf eine weitere Zusammenarbeit mit Joachim Löw, Hansi Flick, Andreas Köpke und Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff gut vorstellen können. Im Moment stehen noch die Spiele gegen Chile und die Elfenbeinküste für Löw im Vordergrund. Die nimmt der Bundestrainer sehr ernst, er würde im Moment gar nicht über seinen Vertrag reden wollen. Aber wir setzen uns sicher noch vor der WM zusammen. Der Bundestrainer hat viel für uns geleistet. Ich bin mir sicher, dass er das auch in Zukunft tun wird.
Im kommenden Jahr geht es auch um ihre Zukunft als DFB-Präsident. Stellen Sie sich auf dem DFB-Bundestag 2010 zur Wiederwahl?
Es ist eine große Ehre für mich, den DFB zu leiten. Wichtig ist aber erst einmal, dass ich gesund bleibe und immer ausreichend Platz für die Familie bleibt, schließlich bin ich kürzlich zum dritten Mal Großvater geworden. Aber natürlich bereitet mir das Amt sehr große Freude. Und meine Planung ist auch so, dass ich weitermachen möchte. Entscheidend ist, dass wir den auf gesellschaftlicher Ebene eingeschlagenen Weg fortsetzen und uns gleichzeitig klar zum Leistungssport bekennen.
Bekannt hat sich der DFB unter Ihrer Führung unter anderem auch zum Kampf gegen Homophobie. Wäre für den Verband in diesem Zusammenhang nicht ein Outing eines prominenten Fußballspielers wünschenswert?
Man kann das nicht erzwingen. Ich muss respektieren, dass ein Spieler in solch einer Lebenssituation nicht den Weg über die Öffentlichkeit sucht. Vor allem im Männerfußball ist ein Gefüge vorhanden, wo ein Spieler, der diesen Schritt öffentlich vollzieht, in eine benachteiligte Situation kommen könnte. Deshalb sollte man nicht baggern oder betteln, dass ein Outing passiert. Vielmehr geht es darum, dass wir weiterhin alles dafür tun, dass der Fußball in Deutschland einen großen Beitrag zu einer in allen Bereichen toleranten Gesellschaft leistet.