Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Selbst beim Branchenführer verrückt ein Champions-League-Finale zuhause die Verhältnisse. Jupp Heynckes musste sich am Vortag des DFB-Pokal-Endspiels in Berlin fast schon bemühen, der Begegnung mit Borussia Dortmund die gebührende Bedeutung zuzusprechen. Natürlich könne er die Gedanken an das Heimspiel gegen den FC Chelsea nicht aus den Köpfen seiner Spieler streichen. Gleichwohl betonte der Bayern-Coach: "Wir gehen step by step." Erster Schritt auf diesem Weg wäre ein Pokalgewinn gegen den alten und neuen Deutschen Meister Borussia Dortmund.
Bayern-Kapitän Philipp Lahm bemühte vor dem Gipfeltreffen des deutschen Fußballs indes das kleine Ein-mal-eins bajuvarischer Kampf-Rhetorik: "Wenn man beim FC Bayern nicht gewohnt ist, mit Druck umzugehen, wo dann? Wenn wir nichts gewinnen, war es vielleicht eine ordentliche Saison, mehr aber nicht. Wir wollen die Titel gewinnen und damit wollen wir morgen anfangen."
Schließlich droht den Münchnern im schlimmsten Fall eine Saison mit drei zweiten Plätzen. Daher kann sich der Vizemeister gar nicht erlauben, der Partie eine geringere Wertschätzung als der Champions League beikommen zu lassen. Doch die Bayern sind kleinlaut geworden. Flogen von der Säbener Straße vor dem letzten Duell noch die obligatorischen Giftpfeile nach Dortmund, übt sich die "schwarze Bestie" mittlerweile in Demut, schiebt die Favoritenrolle dem BVB zu. "Wer mit einem Rekordergebnis Meister wird, ist in so einem Spiel normalerweise favorisiert", findet Heynckes. Doch schon in den letzten Vergleichen haben die Bayern gezeigt, dass sie den bisweilen übermächtig erscheinenden Dortmundern gefährlich nahe kommen können.
Auch deshalb geht Heynckes das Endspiel mit weltmännischer Gelassenheit an. Bange ist ihm vor dem gnadenlosen Systemfußball des Deutschen Meisters jedenfalls nicht. "Jeder hat seine eigene Philosophie und wir haben uns auch Gedanken gemacht, wie wir Dortmund schlagen können." Bereits bei den letzten Vergleichen hätten schließlich Kleinigkeiten den Unterschied gemacht. Nein, Nervosität war dem Bayern-Coach vor dem Treffen mit den scheinbar Unbesiegbaren beim besten Willen nicht abzuringen. "Ich habe im meiner Laufbahn schon so viel erlebt, dass ich die Situation relativ gelassen sehe", gesteht Heynckes.
Was den Borussen vielleicht am meisten Sorge bereiten sollte, ist das Bauchgefühl eines 67-Jährigen mit der Erfahrung zweier Weltkarrieren. Der offenbarte nämlich, dass er sich ähnlich wie vor dem Halbfinale gegen Real Madrid fühle: "Auch diesmal bin ich sehr zuversichtlich."