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Sportsoziologe: Das muss auf Schalke jetzt passieren

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Die nächtlichen Vorgänge an der Arena des FC Schalke 04 nach dessen Bundesliga-Abstieg erschüttern Fußball-Deutschland. Doch wie konnte es zu derartigen Szenen kommen? Und was hat das für Folgen? RevierSport hat darüber mit dem Sportsoziologen Gunter A. Pilz gesprochen.

Dass mit den [article=519329]gewalttätigen Aktionen von einigen Hooligans[/article] gegenüber Spielern und Staff des FC Schalke 04 eine Grenze überschritten wurde, steht außer Frage. Doch wie konnte es erst zu solchen hässlichen Szenen kommen? Was sind die Gründe, dass das Fass der Fans überlief, nachdem feststand, dass S04 zum vierten Mal den Gang in die 2. Bundesliga antreten muss? Und vor allen Dingen: Wie sollten die Konsequenzen aussehen, die aus solch einem Fall gezogen werden müssen?

"In die Gewaltaktionen von den betreffenden Personen gegenüber dem Schalker Team spielen verschiedene Faktoren mit hinein", erklärt Gunter A. Pilz, langjähriger Soziologe mit den Schwerpunkten Sportsoziologie, Sport und Gewalt und Fußball-Fankultur, gegenüber RevierSport. "Trotz des Fakts, dass solche Taten sanktioniert und mit lebenslangem Stadionverbot quittiert werden müssen, muss man versuchen, sich in die Köpfe der Fans hineinzuversetzen. Der FC Schalke 04 hat eine riesige Bedeutung für die Region, die Stadt, das Umfeld. Es gibt Menschen, die ihr letztes Geld für den Verein geben. Diese Menschen müssen nun schon seit einiger Zeit mit ansehen, wie ihr Herzensverein zerbricht. Angefangen von der Geschichte mit Tönnies, über zahllose Trainerwechsel, bis hin zu Unruhen in Präsidium und Vorstand. So etwas produziert eine Verletztheit, die sich dann eben entlädt", führt der 76-Jährige weiter aus.

Dass Anhänger über die Zeit die Zuneigung zu Schalke verlieren, sei laut Pilz kein verwunderlicher Vorgang. "Es gibt in dieser Mannschaft Spieler, die nur an das Geld denken und nicht einmal wissen, wie man Schalke schreibt. Das ist aber allgemein im Fußball eine Entwicklung, die sehr besorgniserregend ist."

So nennt er als Mitgrund für die Ausschreitungen von Dienstagnacht noch einen weiteren Grund: "Die stetige Kommerzialisierung des Fußballs. Wenn ein Spieler im Monat Unsummen an Geld verdient, steigt natürlich auch die Erwartungshaltung. Wenn dann keine Leistungen gebracht werden, ist für viele der Bogen überspannt."

Soziologe: Austausch dringend erforderlich

Etwaige langwierige psychische Folgen für gewaltsam angegangene Spieler oder Betreuer fürchtet Pilz nicht. "Die Spieler sollten eher sich selbst hinterfragen: Was haben Sie getan oder eben nicht getan, um solche Ereignisse im Voraus zu verhindern. Diejenigen, die planen den Verein zu verlassen, werden diese Ausschreitungen nicht tangieren. Bitter ist es für die, die dem Klub erhalten bleiben und am Neustart in der 2. Liga arbeiten wollen."

Als wichtigen, nächsten Schritt für letztere nennt Pilz den unumgänglichen Austausch mit dem Fanlager. "Die Spieler müssen im Dialog mit den Fans eine Basis für die Zukunft verhandeln. Der Mannschaftsrat sollte da die Initiative ergreifen. Auch von den Verantwortlichen müssen Signale gesetzt werden. Es muss eine Atmosphäre entstehen, dass man sich eigene Fehler eingesteht und Verständnis für den Frust aufbringt. Zusammen muss dann an einem Neuaufbau gearbeitet werden." Ein Ansatz dafür kann die "Zukunftself" sein.

Jedoch weist Pilz daraufhin, dass gerade Ultras im Austausch mit ihren Vereinen oder auch Verbänden und Funktionären bisher wenig Erfolg hatten - ein weiterer Grund für den sich anstauenden Frust, der sich dann nach dem Bielefeld-Spiel entlud. "Zu nennen wäre da die Taskforce Zukunft Profifußball. Diese hat aus Fansicht quasi nichts erreicht. Auch solche Entwicklungen, vermischt mit den jeweiligen vereinsspezifischen Vorgängen, sorgen für eine Verletztheit bei den Fans", erklärt er. Dabei sei zu beachten: Der Vorfall in Gelsenkirchen ist nicht der erste dieser unschönen Art. Bereits beim Abstieg des VfB Stuttgart seien dessen Anhänger auf ähnliche Weise aktiv geworden. "Man denke auch an Dynamo Dresden, wo gar das Trainingsgelände gestürmt wurde."

Und auch der FC Schalke 04 erlebte in dieser Saison bereits Ähnliches: [article=513732]Nach dem 0:4 im Derby gegen Borussia Dortmund im Februar hatte es ebenfalls Versuche gegeben, ein Tor der Arena zu stürmen[/article] und zu den Profis zu gelangen. Pilz' Warnung: "Wenn die Vereine weiter auf ihren fanunfreundlichen Wegen gehen, werden solche Vorfälle sich wieder ereignen."

Schalke: Psychische Belastung "zu hoch"

Und wie werden die S04-Profis in die verbleibenden vier Spiele der vorerst letzten Bundesliga-Saison der Königsblauen gehen? "Der Druck ist natürlich weg. Jetzt können sie befreiter aufspielen, wobei ich nicht befürchte, dass nach diesen Ereignissen ein Hallo-Wach-Effekt durch die Mannschaft gehen wird. Dafür sind zu viele schon mit ihrer Zukunft beschäftigt." Die sämtliche Experten vor Rätsel stellende Frage, warum eine Mannschaft, die angesichts ihrer nominellen Zusammensetzung durchaus um die internationalen Plätze mitspielen könnte, eine derartige Saison spielt, versucht Pilz ebenfalls zu beantworten.

"Ich vermute, die Mannschaft wollte Spiele nicht nicht gewinnen. Doch mit zunehmender Entwicklung wurde sie durch ihre Psyche auch physisch blockiert. Der Druck von allen Seiten war zu groß. Es muss alles stimmen, um beispielsweise so ein Spiel in Bielefeld zu gewinnen. Aber die psychische Belastung war zu hoch", so der Soziologe.

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