Der Tenniszirkus funkt SOS: Der Ausfallrekord bei den US Open hat die Spieler alarmiert. 16 Profis hatten beim letzten Grand-Slam-Turnier des Jahres allein bis zum Achtelfinale aufgegeben oder waren gar nicht erst zu ihren Partien angetreten. Das ist Negativrekord und übertrifft die bisherige Höchstmarke von zwölf Ausfällen während des gesamten Turnierverlaufes in Wimbledon 2008 und bei den Australian Open 2003. Im deutschen Lager plagt sich die Darmstädterin Andrea Petkovic mit einem Meniskuseinriss von Runde zu Runde.
Der Kollaps von New York kommt für Titelverteidiger Rafael Nadal nicht überraschend. "Der Turnierplan ist einfach verrückt. Man kann seinen Körper nicht das ganze Jahr über am Limit bewegen", sagte der Spanier, der selbst immer wieder mit Knieproblemen zu kämpfen hat.
Nadal weiß, dass die enorme Entwicklung des Spiels hin zum Powertennis ein Hauptgrund für die zunehmende Zahl an Verletzungen ist. "Deshalb werden wir irgendwann auch früher unsere Karriere beenden als die Spieler vor unserer Zeit", sagte die einstige Nummer eins. Der britische Weltranglistenvierte Andy Murray ist davon überzeugt, dass Tennis inzwischen "eine der physisch anspruchsvollsten Sportarten ist". Viele Topspieler reisen mit einem eigenen Fitnesscoach um die Welt. Bei Petkovic gehört seit einigen Monaten eine Physiotherapeutin zum Team.
Untersuchungen belegen, dass sich die Reaktionszeit im Vergleich zu 1970 um die Hälfte reduziert hat. Außerdem sind die Spieler inzwischen größer. Nach einer Studie der tschechischen Universität Olmütz hat die Körpergröße der Top 100 in den letzten 25 Jahren um knapp zehn Prozent zugenommen. Zudem wiegen die Racktes inzwischen nur noch knapp 300 Gramm.
Alles Fakten, die die Belastungen des Körpers erhöhen. Wimbledon-Halbfinalistin Sabine Lisicki zum Beispiel führt die Liste der härtesten Aufschläge in diesem Jahr mit 201,2 km/h an. 1991 erreichte gerade mal eine Spielerin die 177 km/h. "Im Gegensatz zu heute war es früher unmöglich, zwei Meter hinter der Grundlinie zu stehen und von dort Winner zu schlagen", sagte der dreimalige Wimbledonsieger Boris Becker über das Hochgeschwindigkeits-Tennis der Neuzeit.
Auch die Spielerinnen-Vereinigung WTA hat die größere Anfälligkeit registriert. "Früher hatten wir mehr chronische Blessuren. Heuzutage haben wir mehr akute Verletzungen, die dann oft auch operiert werden müssen", sagte Kathleen Stroia. Die für medizinische Fragen zuständige WTA-Vizepräsidentin glaubt, dass die verbesserte Technik bei den Schlägen das Spiel zwar besser, aber für den Körper gefährlicher gemacht hat.
John McEnroe ist der Meinung, dass sich die Profis in einer Knochenmühle befinden. "Das liegt auch daran, dass sich die schlechter platzierten Spieler verbessert haben. Dadurch haben die Topstars es schon in den ersten Runden schwerer. Und der Verschleiß geht rascher vonstatten", sagte der frühere Weltranglistenerste.