Eigentlich ist es löblich, wenn sich ein Verein entgegen der Konventionen des Geschäfts und des öffentlichen Drucks dazu entscheidet, einem Trainer auch in kritischen Phasen das Vertrauen auszusprechen. Vor allem beim FC Schalke 04, wo der Trainerstuhl in den letzten Jahren einem Schleudersitz glich.
Doch beim Blick auf die Trennung von Dimitrios Grammozis stellt sich die Lage anders da. Hier bleibt festzuhalten: Dieser Schritt war unumgänglich - und kommt womöglich zu spät. Denn das große Ziel, die Bundesliga-Rückkehr, ist mehr als gefährdet. Und Schalke sollte mit allen Mitteln versuchen, den Aufstieg zu erreichen. Auch, wenn es zu Lasten der eigentlich benötigten Konstanz an der Seitenlinie geht.
Dass dieses Vorhaben mit Grammozis gelingt, daran schwand der Glaube zuletzt mehr und mehr. Insofern war die Freistellung der letzte Hebel, um im Aufstiegsrennen noch einmal anzugreifen. Das haben die Verantwortlichen auch so kommuniziert. Mit ihrer Entscheidung haben sie allerdings lange gewartet, vielleicht sogar zu lange. Der Rückstand auf die Aufstiegsränge könnte am Sonntag auf sechs Punkte anwachsen - bei nur neun verbleibenden Partien.
Kaum ein Argument sprach noch für Grammozis. Als Abstiegstrainer hatte er sowieso einen schweren Stand. Aufgrund seiner Personalentscheidungen geriet er im Laufe der Saison zunehmend ins Kreuzfeuer der Fankritik. Fußballerisch hat sich Schalke unter seiner Regie nicht sichtbar entwickelt. Die Mannschaft glänzte in dieser Saison selten. Seine Punkte holte der Verein überwiegend aufgrund der individuellen Klasse im Kader.
Schalkes letzter Schuss muss sitzen
Schon im Laufe der Hinrunde gab es neuralgische Punkte, etwa nach dem 2:4 daheim gegen Darmstadt, an denen die Verantwortlichen hätten reagieren können. Doch sie schenkten dem Coach weiter das Vertrauen.
Was ein Trainerwechsel bewirken kann, zeigte sich bei Werder Bremen. Nachdem Ole Werner dort übernommen hat, blühte Schalkes Mitabsteiger und voriges Sorgenkind zum Aufstiegskandidaten Nummer eins auf.
Klar ist aber auch - und die Liste der Beispiele ist lang: Ein neuer Coach bringt nicht automatisch Erfolg. Mit der Grammozis-Trennung nahmen die Verantwortlichen auch Druck von der Mannschaft. Die muss nun liefern. Wer auch immer die Nachfolge von Grammozis antreten wird: Um noch einmal oben anzugreifen, muss Schalkes letzter Schuss sitzen.