Während der verlorene Sohn Manuel Neuer im fernen München von den Fans vor einigen Tagen mit einem Megafonverbot belegt wurde, steigt sein Nachfolger in Gelsenkirchen gleich nach seinem ersten Spiel in der Arena auf das verwaiste Podest in der Nordkurve und jubelt ausgelassen mit den Anhängern der Königsblauen.
Auf den Schultern und auf dem Zaun
Ein Megafon stand ihm wegen des Supercup-Boykotts der Ultras am Samstag in der Arena zwar auch nicht zur Verfügung, aber das störte den Torwart nicht im geringsten. Nach getaner Arbeit breitete der Keeper einfach seine breiten Pranken aus und schrie sich sein Glück aus voller Kehle von der Seele. „Ich hoffe, die Fans haben mich auch so verstanden“, grinste Fährmann, der sich zunächst den noch ungewohnten Weg über die Werbebanden etwas hölzern bahnen musste. Wenige Minuten zuvor hatten ihn Kyriakos Papadopoulos und Raúl auf den Schultern vom Platz getragen.
Ganz Schalke ist nach der Klasseleistung von Ralf Fährmann erleichtert. Und nach nur einem Pflichtspiel im königsblauen Trikot haben die Knappen-Fans einen neuen Liebling gefunden. Schon mit einer tadellosen Vorstellung während der regulären Spielzeit hat Fährmann das Phantom Manuel Neuer zumindest vorübergehend einfach abgeschüttelt, ehe er sich dann im Elfmeterschießen mit zwei gehaltenen Elfmetern gegen Kevin Großkreutz und Ivan Perisic selbst für seine tolle Leistung belohnte und Schalke den ersten Titel der Saison bescherte.
Über welch großes Potenzial der Chemnitzer verfügt, wussten sie auf Schalke. Aber würde der eher stille Keeper auch mit dem Druck umgehen können? Ralf Rangnick und Horst Heldt schienen da so ihre Zweifel gehabt zu haben. Anders ist ihre verbale Inkonsequenz bezüglich Schalkes neuer Nummer Eins zu Beginn der Vorbereitung kaum zu erklären. Zumindest am Samstag überzeugte der Heimkehrer aber alle Kritiker. Schon im Spiel ganz stark in Eins-zu-Eins Situationen gegen Robert Lewandowski und Mario Götze , strahlte „Ralle“ die Sicherheit aus, die sich alle von ihm erhofft haben.
Fährmann überzeugt alle Kritiker
„Ralf hat ein Klassespiel abgeliefert. Wir haben ja schon vor dem Spiel gesagt, dass er die Nummer Eins ist“, sah sich Horst Heldt in seinen Eindrücken der letzten Wochen bestätigt. „Sich bei seinem ersten Spiel vor eigenem Publikum so zu präsentieren, das gibt Mut. Das gibt ihm weiteres Selbstvertrauen. Das braucht er“, war Schalkes Sportdirektor nach der Gala des Keepers entsprechend erleichtert.
Das ganze aufgestaute Adrenalin schoss aus Fährmann heraus, als er ausgerechnet den Elfmeter des personifizierten Fan-Feindbildes Kevin Großkreutz parieren konnte – und anschließend kurz in Richtung BVB-Kurve grüßte. „Meine Geste war aber nicht gegen Kevin Großkreutz gerichtet. Das hätte ich bei jedem anderen Spieler auch gemacht. Ich habe mich einfach für uns und unsere Fans gefreut, dass wir in Führung gegangen sind“, ist Fährmann viel zu intelligent, um sich über eine zur Schau getragene Abneigung zu definieren.
Und so zeigte er sich nach dem Abpfiff auch wieder gewohnt bescheiden. „Wenn man das erste Heimspiel mit einem Sieg gegen den BVB abschließen darf, dann kann man schon sagen, dass es gut gelaufen ist. Aber als Helden würde ich mich nicht bezeichnen. In ein, zwei Situationen habe ich der Mannschaft Halt geben können, beim nächsten Mal kann das schon wieder anders herum sein“, resümierte der 22-Jährige. Und als wolle er sein Team nochmals charakterisieren fügte hinzu: „Wir gewinnen und verlieren zusammen als Mannschaft.“ Die allerdings wusste, bei wem sie sich zu bedanken hatte. „Das war unglaublich, was der Ralf gehalten hat. Das gibt der Mannschaft richtig viel Sicherheit - auch für die nächsten Spiele“, lobte Joel Matip.
„Ich trage die Nummer Eins auf dem Rücken“
Benedikt Höwedes hatte ohnehin keine Zweifel an der Leistungsfähigkeit seines neuen Hintermannes. „ Wir haben absolutes Vertrauen in Ralf. Wir wissen um seine Qualität. Für ihn war das natürlich wichtig, gleich in seinem ersten Spiel so eine Leistung zu zeigen. Aber wir wissen alle, dass wir einen richtig guten Nachfolger von Manuel Neuer bekommen haben, auf den wir uns zu 100 Prozent verlassen können“, sah sich Schalkes neuer Kapitän bestätigt.
„Manuel hat hier eine riesige Lücke hinterlassen. Meine Aufgabe ist es, diese in den kommenden Jahren zu schließen. Aber der Anfang war schon einmal nicht schlecht“, war Fährmann zufrieden, bevor er sich das eine oder andere Sieger-Bierchen gönnte. Er weiß, dass er nach diesem Auftritt zunächst einmal gesetzt ist. „Ich trage die Nummer Eins auf dem Rücken und fühle mich auch so“, bestätigt Fährmann.
Und beim nächsten Mal hätte er dann auch sicher nichts dagegen, sich mit Megafon vor die Nordkurve zu stellen.