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Westfalia Herne
Traditionsklub ist heimatlos - die großen Nachbarn helfen

Westfalia Herne, Saison 2014/15, Westfalia Herne, Saison 2014/15
Westfalia Herne, Saison 2014/15, Westfalia Herne, Saison 2014/15 Foto: Ketzer
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Der Stadionumbau beim Oberligisten Westfalia Herne dauert länger als gedacht. Die großen Nachbarn mindern die Geldsorgen. Eine Zusage fehlt aber noch.

„Es ist toll zu sehen, was sich hier gerade tut“, sagt Sascha Loch.

Es ist kurz vor Weihnachten, und endlich haben ihn gute Nachrichten erreicht. Herzerwärmendes hatte der 50-Jährige auch bitter nötig – das Amt des Vorsitzenden des Fünftligisten Westfalia Herne ist derzeit nicht vergnügungssteuerpflichtig.

Westfalia Herne. Ein Name, der ältere Fußball-Liebhaber schwärmerisch in eine Zeit zurückversetzt, die sie die gute alte nennen. In eine Zeit, in der man Erstligaspieler im Ruhrgebiet noch am Arbeitsplatz oder in der Stammkneipe treffen konnte, in der die Jungs erst unter Tage malochten und anschließend trainierten. Fußball unter Fördertürmen: Revierderbys standen wöchentlich auf dem Spielplan der legendären Oberliga West. Und Westfalia Herne begegnete Schalke 04 und Borussia Dortmund auf Augenhöhe.

Seit Beginn der Saison heimatlos

1959 wurde Herne Westdeutscher Meister und zog in die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft ein – mit Nationalspielern wie Hans Tilkowski, Helmut Benthaus und Alfred Pyka. Und das Stadion am Schloss Strünkede war oft pickepackevoll.

2017 haben sich an einem Freitagabend im Dezember bei eiskaltem Wind 100 Zuschauer in Dortmund zum Platz des TuS Bövinghausen verlaufen. Hier hat Westfalia Herne ein sogenanntes Heimspiel gegen den TuS Ennepetal.

Es wird abgebrochen, der Schneefall ist zu heftig. Das passt zur Stimmung, es wissen ja sowieso gerade alle nicht, wie es weitergehen soll mit diesem Verein. Denn Westfalia Herne ist seit Beginn dieser Saison heimatlos.

Das altehrwürdige Stadion, das mittlerweile den Namen „German Flavours Park“ trägt, weil Tradition alleine kein Geld einbringt, wird seit Ende Juli modernisiert. Es ist eine große Baustelle – Matsch, Schlamm, Pfützen inklusive. Ein neuer Kunstrasen soll das natürliche Grün ersetzen, am 1. November sollte das neue Geläuf eingeweiht werden. Doch dann teilte die Baufirma mit, dass es bei den Arbeiten zu einem erheblichen Verzug kommen wird. Die neue Anlage soll nun erst in einem halben Jahr fertig sein, am 30. Juni 2018. Für den einst großen und mittlerweile kleinen Klub eine Schocknachricht.

Eine Zeit lang zogen die Herner in die Nachbarschaft um: in die Wanne-Eickeler Mondpalast-Arena. Wieder so ein Anlass für Erinnerungen an bessere Jahre: Als sich der DSC Wanne-Eickel und Westfalia Herne Ende der 70er-Jahre in der Zweiten Liga zum innerstädtischen Derby trafen, lockten sie bis zu 20 000 Zuschauer an.

Platz ähnelte einem Acker

Damals hatten es die Spieler der Westfalia noch richtig gut: Denn bezahlt wurden sie vom „Ölkönig“ Erhard Goldbach, der mit seinen Tankstellenpreisen die Konkurrenz unterbot. Als sich seine vermeintliche Cleverness als Betrug entpuppte, Goldbach zuerst untertauchte und dann verhaftet wurde, ging es mit der Westfalia bergab.

Rund 40 Jahre später hielt der Rasen in Wanne-Eickel regelmäßige Heimspiele von zwei Klubs nicht aus: „Der Platz ähnelte einem Acker“, erzählt Westfalia-Trainer Christian Knappmann. „Jetzt werden wir wohl die Saison in Bövinghausen zu Ende spielen.“

Aber ohne Heimspiele, die diese Bezeichnung auch verdient hätten, fehlen Einnahmen. Am Schloss Strünkede besuchten rund 500 bis 600 Fans die Spiele in der Oberliga Westfalen, in Bövinghausen kann jeder per Handschlag begrüßt werden. „Uns fehlen Gelder in sechsstelliger Höhe“, klagt Knappmann. „Auf Dauer können wir nur schwer überleben. Wir können die Fans ja nicht zwingen, nach Bövinghausen zu reisen. Wir müssen andere Wege finden, um aus der finanziellen Misere zu kommen.“

Briefe an die Nachbarn

In der Not arbeiten Verein und Stadt zusammen. Auf Initiative von Oberbürgermeister Frank Dudda wurden Briefe an die großen Nachbarn geschickt. Einer landete auf dem Schreibtisch von Hans-Joachim Watzke. Der Geschäftsführer von Borussia Dortmund bat Hans Tilkowski um seine Meinung, den legendären früheren Nationaltorwart, der einst Westfalia Hernes großer Rückhalt war und mit dem BVB den Europapokal gewann. „Ich habe ihm gesagt: Das Ruhrgebiet muss zusammenhalten“, erzählt Hans Tilkowski. „Daraufhin hat er zugesagt.“ Im Sommer 2018 will der BVB der Westfalia mit einem Freundschaftsspiel helfen.

„Im Ruhrgebiet ist ja das Kumpelhafte durch den Verlust des Bergbaus und der Schwerindustrie zurückgegangen“, sagt Hans Tilkowski. „Aber die Solidarität sollten wir unbedingt aufrechterhalten. Die großen Vereine holen doch auch Spieler von den kleinen. Also sollten sie auch etwas zurückgeben – in freundschaftlicher Verbundenheit.“

In Bochum sieht man das auch so. Der Zweitligist VfL hilft der Westfalia mit einem Darlehen, es soll sich um 50 000 Euro handeln.

1976, als das Ruhrstadion umgebaut wurde, trug der damalige Bundesligist monatelang seine Heimspiele in Herne aus und rettete sich dort vor dem Abstieg. Jupp Tenhagen war damals dabei. „Wir haben uns sofort heimisch gefühlt, Herne war uns Bochumern schon immer nahe“, sagt der frühere Nationalspieler, heute Aufsichtsratsmitglied des VfL. „Vereine wie Westfalia Herne dürfen nicht untergehen!“

"Wir loten aus, was wir machen."

Axel Schuster (FC Schalke)

Normalerweise funktioniert der Profifußball ja nach dem Motto: Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht. Der Fall Westfalia Herne zeigt, dass es auch anders geht. Jetzt wartet der Traditionsklub nur noch auf eine Zusage des FC Schalke 04. Die Königsblauen sind nicht abgeneigt, haben aber noch nichts beschlossen. „Wir müssen jetzt ausloten, was wir machen, wie wir es machen und vor allem, wann wir es machen“, sagt Axel Schuster, Schalkes Direktor Sport.

Hans Tilkowski wünscht sich sehr, dass sich die Schalker einen Ruck geben. „Ich stehe gerne als Vermittler zur Verfügung“, sagt er und erinnert an einen großen Tag im Jahr 1962: „Damals haben Schalke 04 und Westfalia Herne in einem gemeinsamen Team in der Glückauf-Kampfbahn gegen die deutsche Nationalmannschaft gespielt.“

82 Jahre alt ist der Vize-Weltmeister von 1966, seine Tatkraft hat nie nachgelassen: „Wir Ruhrgebietler machen uns oft viel zu klein“, sagt er, „wir gehen gebückt durch eine zwei Meter hohe Tür. Dabei können wir gemeinsam doch so stark sein.“

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