Die unersättliche "Rote Furie" gewann als erste Mannschaft der Welt ihren dritten großen Titel in Folge, und sie tat es mit dem höchsten Finalsieg der EM-Geschichte. Beim bezaubernden 4:0 (2:0) bot der Titelverteidiger und Weltmeister in Kiew zum krönenden Abschluss seine beste Turnierleistung und ließ der Squadra Azzurra keine Chance. Das Kurzpass-Theater "Tiki-Taka", nach dem Halbfinale noch als einschläfernd kritisiert, begeisterte.
Die brillant herausgespielten Treffer von David Silva (14.), Jordi Alba (41.), Fernando Torres (84.) und Juan Mata (88.) waren vor 63.170 Zuschauern die Farbtupfer eines beeindruckenden Gesamtkunstwerkes. Allerdings musste Italien nach einer Verletzung von Thiago Motta (60.) in Unterzahl spielen, da Allenatore Cesare Prandelli schon dreimal gewechselt hatte.
"Kirsche auf dem Kuchen" Das Finale sei das Spiel um die "Kirsche auf dem Kuchen", hatte Spaniens Verteidiger Sergio Ramos behauptet; am Ende kam sogar noch die Schlagsahne oben drauf. Allen Zauber schien sich die Mannschaft von Trainer Vicente del Bosque, der als erster Trainer nach Helmut Schön (1972/1974) den WM-Titel und EM-Titel gewann, für das Endspiel aufgehoben zu haben.
Gegen leichtfüßige Spanier, die als erster Europameister den Titel erfolgreich verteidigten und mit ihrem dritten EM-Titel den Rekordsieger Deutschland einholten, war Italien überfordert. Nur in Ansätzen glichen die Azzurri jener Mannschaft, die im Halbfinale Deutschland besiegt hatte. Der bislang so geniale Andrea Pirlo blieb nahezu wirkungslos, Mario Balotelli, zweifacher Torschütze beim 2:1 gegen die DFB-Auswahl, hatte sein Pulver offensichtlich schon verschossen.
Spanier unbeeindruckt von Pirlo Im Gegensatz zu Deutschland im Halbfinale zeigten sich die Spanier vom Mitwirken von Andrea Pirlo gänzlich unbeeindruckt - sie vertrauten auf ihre Stärken. Und sie machten gleich Druck, waren offensichtlich auf ein schnelles Tor aus. Die Italiener wiederum sahen sich zunächst außerstande, die Spanier früh zu stören, wie sie es beim 1:1 im Gruppenspiel drei Wochen zuvor geschickt und nervtötend getan hatten. Das sollte sich früh rächen.
In der 14. Minute ging alles plötzlich ganz schnell, so schnell, dass einem der Atem stockte. Andrés Iniesta beschleunigte das Spiel mit einem chirurgisch präzisen Steilpass durch die italienische Abwehr genau in den Lauf von Cesc Fàbregas, der flankte von der Torauslinie hoch zurück in die Mitte. David Silva stürmte heran und wuchtete den Ball mit all seinen 170 Zentimetern Körpergröße ins Tor. Ein Spielzug wie ein Gemälde.
Chiellini musste früh verletzt raus Es wurde nicht besser für die Italiener, die eigentlich der Angstgegner Spaniens waren. Seit 1920 hatte La Squadra nicht gegen den Rivalen verloren. Doch an diesem Sonntagabend lief alles gegen Italien. Giorgio Chiellini, der einzige Neuer in der Anfangsformation im Vergleich zum Spiel gegen Deutschland, musste schon in der 21. Minute verletzt vom Feld, und die Squadra Azzurra stand weiter unter Druck. Spanien zog sich nach dem Führungstreffer nicht zurück, der Titelverteidiger wirkte darüber hinaus spritziger und laufstärker.
Bei Spanien funktionierte das "magische Dreieck" Xavi, Iniesta, Fàbregas (alle FC Barcelona) hervorragend. Bei den Italienern waren gute Ansätze nur dann zu sehen, wenn sich Pirlo ins Spiel einschalten durfte. Gefährlich vor dem Tor von Iker Casillas wurde es meist nur dann, wenn der Torhüter Flanken hätte abfangen sollen. Da zeigte der spanische Mannschaftskapitän Schwächen - er war dafür aber bei Ignazio Abates strammem Schuss auf dem Posten (33.).
Nichts zu sehen von Balotelli Nichts zu sehen war dagegen von dem Mann, der Deutschland aus dem Turnier geschossen hatte. Mario Balotelli litt wie Antonio Cassano unter einem Mangel an Zuspielen und verwertbaren Pässen. Chancen für die Italiener ergaben sich nur selten, und wenn, dann scheiterten die Azzurri zum bestmöglichen Zeitpunkt wie der eingewechselte Antonio Di Natale: Er schoss in der 51. Minute freistehend auf Casillas, Balotelli schoss neben das Tor (58.). Spätestens mit Mottas Verletzung begannen die spanischen Fans, den Triumph zu genießen.
Beide Teams hatten sich schon am 10. Juni in Danzig gegenübergestanden - es war bereits das vierte Mal, dass Gruppengegner später Finalgegner wurden. Spanien und Italien spielten 1:1, nach der italienischen Führung durch Di Natale hatte Fàbregas getroffen, der aber vornehmlich wegen seiner Rolle als "falsche Neun" für Aufsehen sorgte. Im Endspiel aber war Fàbregas die Nummer eins in einer bezaubernden spanischen Elf.