Skibbe im Interview

"Erkenne keinen Unterschied zur Bundesliga"

RevierSport besuchte den gebürtigen Gelsenkirchener, der ohne seine Familie in die Türkei gereist ist, vor dem Saisonstart in Anatolien.

Michael Skibbe, hatten Sie keine Bedenken ausgerechnet beim von den Auswirkungen des Skandals betroffenen Verein Eskisehirspor anzuheuern?

Das Ausmaß des Skandals ist für mich überhaupt nicht absehbar. Ich weiß nicht, ob Manipulationen tatsächlich in dem Umfang stattgefunden haben, wie gemutmaßt wird. Das war in Deutschland aber vor drei Jahren nicht anders. Da wusste auch niemand, ob zehn oder 50 Spiele verschoben wurden. Ich bin überzeugt, dass das Thema nach den Untersuchungen abgeschlossen sein und eine reinigende Wirkung für den türkischen Fußball haben wird.

Eskisehirspor zählt aber nicht gerade zu den ersten Adressen im türkischen Fußball!

Der Druck ist bei Galatasaray Istanbul, meiner ersten Station in der Türkei, ein anderer. Aber auch Eskisehirspor ist ein ambitionierter Verein mit großen Zielen. Nach dem Aufstieg vor zwei Jahren wurde der Verein in der vergangenen Saison Siebter. Der Klub hat inzwischen erkannt, dass in dieser fußballverrückten Stadt noch mehr geht.

Was denn?

Das Konzept ist, basierend auf einer guten Jugendarbeit, mittelfristig ausgelegt. Eskisehirspor möchte sich unter den ersten fünf Vereinen in der Türkei positionieren, um ähnlich wie Trabzonspor oder Bursa irgendwann einmal an die großen Istanbuler Klubs heranzukommen. Deshalb ist Eskisehir für mich kein Rückschritt.

Wie in Deutschland der Wechsel von Leverkusen nach Frankfurt?

Genau! In der Bundesliga gibt es eben nur 18 Vereine und nicht jeder kann Bayern München oder Borussia Dortmund oder Schalke 04 trainieren. Außerdem bin ich unheimlich gerne wieder in die Türkei gegangen. Mir hat es schon in Istanbul sehr gut gefallen. Eskisehir ist eine wunderschöne, junge Stadt und die Herzlichkeit der Menschen umwerfend. Eskisehirspor ist zudem nur bei uns ein unbeschriebenes Blatt und zählt in der Türkei zu den Traditionsvereinen.

Der Ligastart wurde wegen der Ermittlungen im Manipulationsskandal um vier Wochen verschoben. Wie können Sie die Konzentration Ihrer Spieler so lange hoch halten?

Ich bin für den Zeitgewinn eher dankbar. Für mich war das eine willkommene Gelegenheit, meine Mannschaft besser kennen zu lernen. Ich bın ja erst Mitte Juli nach der Entlassung von Bülent Uygun verpflichtet worden. Bis auf die Verpflichtung von Dede stand der gesamte Kader. Durch die Verlängerung der Sommerpause konnte ich so nochmal eine ganz normale Vorbereitung absolvieren.

Auf welche Bedingungen sind Sie in Eskisehir gestoßen?

Ich erkenne gar keinen Unterschied mehr zur Bundesliga. Wir haben hier drei erstklassige Trainingsplätze und hervorragende Arbeitsbedingungen. Inzwischen gibt es auch immer mehr Stadien, die dem europäischen Niveau entsprechen. Der türkische Fußball wird auch zunehmend internationaler. Nicht nur wir in Eskisehir haben acht Ausländer im Kader, das war vor Jahren undenkbar. Bislang war der türkische Fußball international fast ausschließlich den Istanbuler Vereinen und Trabzonspor vorbehalten. Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Nach Sivasspor, Bursaspor und Gaziantepspor möchten wir mit Eskisehirspor der nächste Klub in der Europa League sein. Es würde den Menschen hier in Anatolien ganz viel bedeuten, sich international präsentieren zu können.

Wie lösen Sie das Sprach­problem?

Meine türkischen Sprachkenntnisse beschränken sich derzeit noch auf Guten Tag und Guten Abend. Deshalb habe ich in Burak Dilmen einen Übersetzer zur Verfügung gestellt bekommen, mit dem ich auch schon bei Galatasaray zusammen gearbeitet habe. Er kommt aus München und war früher selbst Profi in der Türkei und anschließend als Nachwuchstrainer tätig. Und dann kann ich mit Dede, der sich unheimlich gut eingefügt hat, sowie einigen weiteren Spielern Deutsch sprechen.

Sie sind gebürtiger Gelsenkirchener und haben Ihre Trainerkarriere in der Nachwuchsabteilung auf Schalke begonnen. Dennoch fehlt der Eintrag S04 bislang in Ihrer Vita als Fußballlehrer in der Bundesliga. Muss man als Gelsenkirchener aber nicht auch einmal Schalke 04 trainiert haben?

Das ist eine gute Frage. Es gab immer mal wieder lose Kontakte. Aber bislang hat das mit Schalke und mir nie so recht gepasst. Immer, wenn Schalke gerade einen Trainer gesucht hat, war ich gebunden – oder umgekehrt. So etwas muss sich ergeben. Aber Gelsenkirchen ist noch immer meine Heimatstadt. Meine Eltern leben dort und meine Geschwister sind alle in der Nähe. Eine Rückkehr in den Westen ist nach Ablauf meines Vertrages in Eskisehir sicher nicht ausgeschlossen.