Zoff um Team und Trainer, die Saisonziele gefährdet, die Stimmung auf dem Tiefpunkt - die Voraussetzungen beim Hamburger SV vor dem Halbfinalhinspiel in der Europa League am heutigen Donnerstag (21.05 Uhr/live bei SAT.1 und Sky) gegen den FC Fulham sind miserabel. Doch das alles soll ausgeblendet werden, um den großen Traum vom Titel am Leben zu halten. Die Streithähne sind deshalb bereit, einen Burgfrieden zu schließen: "Ich will ins Finale und dahinter muss alles zurückstehen", sagt stellvertretend Torwart Frank Rost.
Der Keeper war erst Sonntag nach einem Zoff mit dem umstrittenen Trainer Bruno Labbadia aus dem Mannschaftsrat zurückgetreten. Die Fans murren, zahlreiche Spieler haben Abwanderungsgedanken. Am Mittwoch wurde das angebliche Interesse vom AC Mailand an Dennis Aogo bekannt. Auch das sorgt nicht gerade für Ruhe. "Es geht jetzt nicht um mich", äußert der Linksverteidiger, "es geht nur um den Verein, und wir können Großes erreichen."
Dennis Aogo (Foto: firo).
Die Hanseaten wissen, dass sie mit dem Endspiel am 12. Mai in der eigenen Arena eine Möglichkeit haben, die für die meisten Spieler wahrscheinlich nie wiederkommt. "Mehr Motivation als ein mögliches Endspiel vor eigenem Publikum gibt es nicht", sagte Aogo und erinnerte auch an das Halbfinal-Aus im Vorjahr gegen Werder Bremen: "Jeder weiß wie schmerzhaft das war. Wer das mitgemacht hat, hat noch reichlich Wut im Bauch."
In der Bundesliga ist der ehemalige Tabellenführer nach der blamablen 0:1-Niederlage am vergangenen Samstag gegen Mainz 05 auf Platz sieben abgestürzt, aus eigener Kraft kann damit eine erneute Teilnahme an der Europa League nur durch einen Finalerfolg geschafft werden. "Das Gesicht in der Bundesliga können wir nicht schönreden", sagt Klubchef Bernd Hoffmann, "um so wichtiger ist es, dass wir am Donnerstag unser Europapokal-Gesicht zeigen."
Bruno Labbadia (Foto: firo).
Darauf vertraut auch Labbadia, dessen Zukunft in Hamburg nach den Querelen und Misserfolgen in der Liga ungewiss ist: "Uns ist es auch in den vorherigen Europacup-Spielen gelungen, diese Dinge zu ignorieren", sagte der 44-Jährige, "dieses Halbfinale sollte für alle Beteiligten ein Festtag werden. Ich lasse mir die Freude darauf auch nicht verderben."
"Es gibt Unzufriedenheit und Spannung, aber das kann uns auch helfen", sagt Ruud van Nistelrooy, der in seiner großartigen Karriere nie einen Europacup gewinnen konnte, "alle müssen wissen, dass es ein großes Spiel in der HSV-Geschichte ist."
Natürlich lechzt die ganze Stadt nach dem ersten Titelgewinn seit 23 Jahren, aber es geht nicht nur um den einzigen noch fehlenden Pokal für das HSV-Museum, es geht auch um die sportliche Zukunft. Ohne eine erneute Europacup-Teilnahme im kommenden Jahr wäre der kontinuierliche Aufstieg der Hanseaten bis auf Platz zwölf im UEFA-Ranking abrupt gestoppt. Spielerverpflichtungen wären dann schwerer, abwanderungswillige Profis kaum zu halten, TV- und Sponsoreneinnahmen gingen zurück. Dass der FC Fulham auf seiner beschwerlichen Anreise aus London am Mittwochnachmittag noch mit dem Bus im Stau steckte, mindert den Respekt vor dem Tabellenzehnten der Premier League nicht. "Die Mannschaft spielt defensiv sehr diszipliniert und kompakt, es werden Kleinigkeiten entscheiden", sagte Labbadia.
Fulham hat immerhin vor dem deutschen Meister VfL Wolfsburg auch Juventus Turin und Titelverteidiger Schachtjor Donezk eliminiert. "Wir wissen, dass der Gegner es uns sehr schwer machen wird, alle müssen 100 Prozent abrufen, damit wir Erfolg haben können", meint Labbadia.