Denn der Mannschaft um Jens Lehmann, Olaf Thon, Jiri Nemec und Marc Wilmots hat man anfänglich kaum zugetraut, die Anfangsrunden im ersten europäischen Wettbewerb nach 19 Jahren zu überstehen. Und dann dieser Höllenritt durch Europa, der bis nach Mailand führen sollte. Und dort – im legendären zweiten Endspiel gegen Inter – den Pokal nach Gelsenkirchen bringt.
In sechs Folgen wollen wir an die Kapitel von Roda bis San Siro erinnern und damit einen Beitrag leisten zu all den Jubiläums-Veranstaltungen der kommenden Wochen. Erinnerungen an unvergessliche, dramatische Fußball-Wochen im Revier, an die Eurofighter und den wohl größten Erfolg der Schalker Vereinsgeschichte.
Hinspiel Es war in der Geschichte des Parkstadions seit 1973 wohl zum ersten Mal, dass bei einem Spiel des FC Schalke die Gästefans auf den Rängen die Mehrheit stellten. Mit einer großen Anzahl an türkischen Anhängern war zu rechnen gewesen. Doch auf eine solche Invasion unter dem Halbmond war dann doch niemand vorbereitet. Türkische Fans müssen sich überall Karten besorgt haben. Um das Spiel live zu verfolgen und für einen infernalischen Lärm zu sorgen.
Auch auf dem Spielfeld machten die Türken richtig „Theater“. Der nationale Vizemeister aus Anatolien spielte mutig, frech, unbequem. Schalke schaffte es nur selten, richtigen Druck aufzubauen. Der Gast dominierte kombinationssicher, blieb nur vor Lehmanns Gehäuse eher harmlos. Davor aber spielte vor allem der blonde Abdullah seinen Gegenspielern Knoten in die Beine. Doch Schalke blieb cool, wartete geduldig auf eigene Chancen. Die ergaben sich zum Ende des Spiels auch immer häufiger. Aber Wilmots vergab ebenso wie Mulder, Anderbrügges Schuss klatschte nur an die Latte. In der 77. Minute war es dann nach Vorlage von Jiri Nemec Martin Max, der zum erlösenden 1:0 einnicken konnte. Ob aber auch dieses knappe Ergebnis im Hexenkessel an der Schwarzmeerküste reichen würde? Olaf Thon hatte eine klare Meinung: „Wir brauchen ein Auswärtstor, sonst scheiden wir aus!“
Rückspiel Beim Rückflug über den Wolken überkam Keeper Jens Lehmann die Erkenntnis: „Wir müssen uns bei unseren herzkranken Fans entschuldigen.“ Aber nicht nur die schickte seine Mannschaft in ein Wellental der Gefühle.
Mitten hinein ins türkische Herz, das noch zuvor so optimistisch gepocht hatte, setzte Schalke 04 mit den Kopfballtoren von Johan de Kock zwei Nadelstiche, die auf Seiten der Gäste eigentlich für Ruhe hätten sorgen müssen. Doch das Gegenteil war der Fall. Aus der großen spielerischen Überlegenheit fielen die Königsblauen in ein halbstündiges Loch, in dem ihnen das Ausscheiden drohte. Huub Stevens: „Vermutlich hatte jeder im Kopf, dass die nun vier Tore schießen müssten und das ja wohl nicht ginge.“
Doch als binnen einer Viertelstunde im zweiten Durchgang aus dem komfortablen Vorsprung ein 2:3-Rückstand geworden war und den Türken nur noch ein Tor zum Weiterkommen fehlte, da begann das große Zittern. Gottlob aber nur drei Minuten, denn dann hatte Martin Max mit dem 3:3-Ausgleich Trabzonspor vor die Aufgabe gestellt, nunmehr noch zwei weitere Tore schießen zu müssen. Das war an diesem Tag aber dann doch nicht möglich, zumal die Türken nicht annähernd so stark aufgetreten waren wie 14 Tage zuvor in Gelsenkirchen.
Kein Wunder, dass sich die 1.000 mitgereisten Schalker Fans angesichts der Überlegenheit ihrer Mannschaft die Augen rieben und auch dem immer stiller werdenden Publikum keine Furcht entgegenbrachten: „Und das soll die Hölle sein?“
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