Man sieht Matthias Reusch seine fast 67 Jahre nicht an. Und wenn man einen Blick auf seine Laufergebnisse, und vor allem auf sein Laufpensum wirft, möchte man den Hut ziehen. Überall auf dem Globus hat er schon an Rennen teilgenommen. Für das nächste wird er aber nur eine zehnminütige Autofahrt einplanen müssen. Die Fahrt wird in Dortmund-Aplerbeck beginnen und ihn zwei Stadtteil weiter westlich nach Hörde führen. Von einem ruhigen, fast eingeschlafenen Viertel, in dem sich in der Köln-Berliner-Straße auch die Praxis des Internisten befindet, geht es dann hinüber zum ungeschminkten Ortsteil Hörde, dem man seine Vergangenheit als Stahlkocher-Millieu noch an fast jeder Ecke ansieht. Auf dem Areal Phönix-West ragen hier die Industrieruinen in den Himmel: ein leerer Gasometer, ein erkalteter Hochofen und eine Halle, an der die Schiebekräne unter der Decke nur noch die Kulisse für die Kunst darunter bildet.
1998 wurde das Werk still gelegt. Der östliche Bereich wird noch in diesem Herbst gewässert und als See weiter existieren, im westlichen Teil sind die akkuraten Straßen des kommenden Technologieparks mit frischem Grün am Rande und glattem Asphalt schon angelegt, allein die kommenden Nutzer fehlen noch. Schon bald, in nicht mehr ganz einem Monat, wird Leben in die Szenerie kommen. Unmittelbar vor der Phönix-Halle befindet sich dann der Start- und Zielbereich des WINDSTOPPER TRAILRUN WORLDMASTERS. Drei Mal wird Matthias Reusch von hier auf die Strecken gehen und an drei Tagen unterschiedliche Disziplinen hinter sich bringen: Am Freitag, 6. November, steht um 15 Uhr ein Sprint über 5,3 Kilometer an. Am Folgetag bewältigt er den Ruhrklippen-Trail, sprich 35,2 Kilometer und 652 Höhenmeter durch die Wälder und Hügel des Dortmunder Südens. Da wirken die 20,5 Kilometer und 285 Höhenmeter des Bittermark-Runs am Sonntagmorgen schon fast wie ein lockeres Austraben.
„Das hier“, sagt Reusch während sein Blick über den Vorplatz der Phönix-Halle schweift, „ist eine tolle Bühne für so eine Veranstaltung. Als würde man in einem Theater starten, besser als jeder Lauf durch eine Stadt.“ Man hört die Vorfreude förmlich raus. „Und es geht sehr abwechselungsreich weiter.“ Er weiß es ziemlich genau, denn schon Ostern hat er 27 Kilometer der Strecke abgelaufen, zusammen mit seinen Vereinskollegen von der LG Bittermark, von denen etwa 25 das WTW in Angriff nehmen, oder aber den Ausrichter, die Agentur Plan B, bei der Organisation unterstützen wollen. „Und die werden das wieder gut hinbekommen“, weiß Reusch, „die wissen, wie man so was auf die Beine stellt, und halten für uns Läufer immer eine Überraschung bereit.“ Noch heute ist er beeindruckt vom Transalpine-Run, von den 242 Kilometern in sechs Tagen, in einer sehr familiären Atmosphäre.
Kann er denn nach seiner Besichtung und aufgrund seiner Erfahrungen Tipps geben? Worauf müssen sich die Teilnehmer vorbereiten? Reusch: „Vom Hengesteysee hoch zur Pumpstation – das sind 120 Höhenmeter und bestimmt 15 Prozent Steigung“. Das sei aber noch längst kein Grund, Respekt vor der Strecke zu haben, oder sie für sich als zu schwer zu bewerten. „Da kommt doch jeder hoch“, lässt er keine Ausreden gelten, „sonst muss man mal ein paar Meter gehen, nicht trippeln. Das schont die Kräfte und ist kaum langsamer. Immer nur so schnell, dass die Energie in jeden Teil des Körpers fließt. Und abwärts schön rollen lassen.“ Wichtig sei es auch, im ersten Drittel nur locker zu laufen, erst im letzten Drittel der Strecke gilt „alles, was geht.“ Zudem: „Wer ein echter Läufer ist, der kennt doch das Gefühl, alles schaffen zu können!“ Man möchte bei diesen Sätzen am liebsten gleich die Schuhe schnüren und lostraben.
Seit nunmehr elf Jahren nimmt Reusch an Läufen teil, ein Ende ist nicht in Sicht. Drei Jahre, bis zu seinem 70. Geburtstag, will er noch in seiner Praxis tätig sein, dann ist ein Umzug zur Lebensgefährtin nach Köln geplant. Die Laufstrecken dort kennt er schon ganz genau. Flach sei es da, kein Vergleich zum Terrain des östlichen Ruhrgebiets. 18 Grad und strahlende Sonne findet er hier vor, als er sich das Gelände schon einmal anschaut. Wenn es in vier Wochen, Anfang November, zum Ernstfall kommt, könnten aber auch zwei Grad und Schneeregen möglich sein. „Aber da kommt man doch gut durch“, sagt er unerschrocken, fast beiläufig. Man merkt: den Mann hat das Zeug zu einem echten „Local Hero“ - den haut wenig um, auch kein dreitägiger Trailrun.