Sami Khedira zog sich das Stirnband vom Kopf, nahm seinen Kumpel Mesut Özil in den Arm, dann schickte er seiner bildhübschen Freundin Lena gestenreich Küsse auf die Tribüne. Erstmals schien der Mittelfeldstar von Real Madrid bei der EM mit sich und der Welt vollkommen zufrieden zu sein.
"Natürlich freue ich mich, dass ich ein wichtiges Tor geschossen habe und damit der Mannschaft helfen konnte. Dass ich mal an der Reihe war, macht mich glücklich", sagte der Modellathlet nach seiner tadellosen Leistung beim 4:2 der deutschen Fußball-Nationalmannschaft im Viertelfinale gegen Griechenland. Nach sechsminütigem Zittern hatte er mit einem beherzten Schuss das erlösende 2:1 erzielt.
Der heimliche Chef neben Schweinsteiger
Zwar wurde sein Vereinskollege Özil anschließend zum "Man of the Match" gekürt, doch der wahre Star des Abends war der sonst so unscheinbare Khedira, der im "magischen Dreieck" mit Bastian Schweinsteiger und Özil seine Mitstreiter in den Schatten gestellt hatte.
"Er ist sehr dynamisch, sehr präsent. Er hat sich seit 2010 zu einer Führungspersönlichkeit entwickelt", sagte Bundestrainer Joachim Löw über den gebürtigen Stuttgarter, der in Danzig vor allem den in einigen Situationen fahrig wirkenden Vize-Kapitän Schweinsteiger mitziehen musste. "Er verlässt seine Position, macht Druck, zieht sich aber auch wieder zurück. Es ist schwer, im Zweikampf gegen ihn zu bestehen. Es ist gut für die anderen, die um ihn herum spielen, dass er da ist", sagte Löw.
Khedira (25), in der Vorrunde solide und eher unauffällig, ist zu einem unverzichtbaren Führungsspieler gereift. "Sensationell!", sagte Philipp Lahm. Der Kapitän meinte damit nicht nur den Treffer, sondern die gesamte Darbietung des spanischen Meisters: "Er hat unglaublich viel für unser Spiel getan."
Der Dauerläufer der DFB-Elf
Das belegt auch die Statistik zu Khediras 31. Länderspiel. 90 Prozent seiner Pässe kamen an, er spulte 11,5 Kilometer ab, das zweitgrößte Laufpensum. "Wichtig ist, dass wir wieder als Mannschaft funktioniert haben. Und ich bin ein Teil der Mannschaft", sagte er und stellte sein eigenes Licht wie gewohnt unter den Scheffel. Dabei hatte er alleine schon mit seinem zweiten Länderspieltreffer für ein Highlight gesorgt, nachdem ihm vor zwei Jahren bei der WM in Südafrika im Spiel um Platz drei gegen Uruguay der Siegtreffer zum 3:2 geglückt war.
Nun hat Khedira, der als Kapitän der U21-Auswahl von 2009 weiß, wie es sich anfühlt, einen EM-Pokal in den Händen halten, Blut geleckt: "Wenn wir unser Potenzial abrufen, dann sind wir nur schwer zu schlagen."