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Zwischen den Polen
Lwiw sehen... und sterben?

Zwischen den Polen: Lwiw sehen... und sterben?
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Der Samstagabend war schnell überwunden. Im Mittelosten nichts Neues. Leid, Niederlagen und (Fußball-)Katastrophen sind Polens treueste Begleiter.

Nach kleiner Erfrischung geht es zurück in die Hitze. Das Adrenalin steigt vor der erneuten Taxifahrt. Vor der nächsten Begegnung mit einer weiteren Wiederholung von „Mein ganzes Leben in Bildern in nur 90 Sekunden“ beichtet mir E, aus Versehen habe er im Flugzeug sein Handy angelassen.

Endgültig überzeugt von meiner Unsterblichkeit, freue ich mich nun auf die Fahrt. Unser Fahrer strahlt, als ich ihn im feinsten Polnisch vom Fahren ablenke. Seine Mutter komme aus Polen, seine halbe Familie lebe bei Breslau und Opole. Während seiner Tirade über das polnische Konsulat in Lwiw, welches ihm die „Karta Polaka“ („Polenkarte“) aus unerklärlichen Gründen verweigere, knistert es kurz in unserer Sauna auf vier Rädern. Die darauffolgende Flugphase über die hügelige Straßenlandschaft Lwiws erinnert mich sofort an die „Straßen von San Francisco“. Er ist mein Michael Douglas, ich sein Karl Malden. Diese enge Partnerschaft besiegeln wir mit dem Kontaktdatentausch. Ich verspreche „Michael“, ihm mit seiner Karta zu helfen, schließlich verdanke ich ihm doch mein Leben.

Rückkehr in die Kindheit

Glücklich über die verlängerte Lebenszeit entscheiden wir uns, Lwiw bis zum Spiel nur noch zu Fuß zu entdecken - Und...sind begeistert! Tolle Parkanlage, fantastische Architektur, wunderschöne Altstadt, fröhliche und sehr freundliche Menschen, kaltes Bier und diese Küche! Es fühlt sich wie Zuhause an, ich denke an Krakau, an Breslau. Um mich herum verfallen die Männer haufenweise den osteuropäischen Schönheiten, auch meine Aufmerksamkeit gilt – allerdings völlig anders - dem (öffentlichen) Verkehr. Ich bin regelrecht fasziniert von den Straßenbahnen, Trolleybussen und diesen einmaligen, aberwitzigen gelben Kleinbussen. Das Kind im Manne jubelt. Lwiw: Nicht nur wie Zuhause, nein, vielmehr bin ich in meiner Kindheit angekommen. Da stört es kaum, dass der Tramfahrer zwar mit tollen Signalpfeifen in Fußballmelodik, dafür aber mit hoher Geschwindigkeit direkt in eine große Gruppe Fans rast.

Euphorisiert von den Eindrücken (oder liegt es an der Hitze?) genießen wir die Geschichten von Maciek, einem alten Kumpanen, der während der EM die „Danish Dynamite“ betreut. Von begeisternden Empfängen in den polnischen Dörfern, den Chancen der Mannschaft und der Bendter-Unterhose ist die Rede. Jakob Poulsen belegt eindrucksvoll vor unseren Augen, dass der dänische Verband – anders als hier und da – die Spieler und deren Familien mit Eintrittskarten versorgt. Gute Stimmung und große Vorfreude bei den Poulsens.

Sandra Bullock mit Schnäuzer

Dass die Welt ein Dorf ist, erfahren wir spätestens als wir in der Altstadt Dr. Andrzej Michalczyk treffen, einen Dozenten der Bochumer Universität und zugleich einen der Autoren von „Glückauf Polonia!“ Mit lautem Schweigen kommentieren wir das Spiel in Breslau. Andrzej war dabei, stieg nachts ins Auto und fuhr nach Lwiw. Ein Wissenschaftler zwischen den Polen – Fußball verbindet Menschen. Am gut gebräunten Gerhard Mayer-Vorfelder vorbei geht es dann Richtung Stadion. Am deutschen Mannschaftshotel legen wir eine kurze Pause für eine „Humba Täterä“ ein. „Ohne Deutschland, wäre dort nichts los“, heißt es lautstark. Längst bin ich da jedoch ganz anderer Meinung und von Lwiw überzeugt.

Im Shuttlebus genieße ich sofort die Sicherheit, vorzeitig im Stadion anzukommen. Diesmal ist es „Speed“ und unser Fahrer eine Sandra Bullock, lediglich eine mit Schnäuzer. Die neue Arena, ähnlich zentral gelegen wie das neue Mainzer Stadion, beeindruckt. Klein, kompakt, zuschauerfreundlich, genau richtig! Lediglich die obligatorische Stadionwurst fehlt. Die deutschen und dänischen Fans sorgen für gute Stimmung, die nicht einmal von diesen schlimmen „Sieg!“-Rufen oder dem orangenen Rauch in der Fankurve gestört wird. Das Spiel ist gut, die Lage spannend, einer der letzten Polen im Turnier trifft, Khedira begeistert und selbst der polnische Pessimismus, Deutschland könne scheitern, verfliegt.

Auf Seite 3: Nächtigen im Spiegelkabinett

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