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RWE - Fortuna Köln 1:1
Bittere Tränen, süße Träume

Rot-Weiss Essen: 1:1 gegen Fortuna Köln

Das Georg-Melches-Stadion hat sein letztes Pflichtspiel gesehen. Es war in vielerlei Hinsicht ein denkwürdiges. Wie könnte es an der Hafenstraße auch anders sein?

So sehr die Protagonisten nach den Turbulenzen der letzten Nacht auch den Teamgeist beschworen, so eng die Mannschaft auch zusammenstand - am Ende des Nachmittags waren alle ganz bei sich. Zu sehr war jeder einzelne damit beschäftigt, all das, was auf den Deutschen Meister von 1955 eingeprasselt ist, aufzuarbeiten. Wie bei einem Trauerfall kurz vor Weihnachten verhagelte die Nachricht von dem fragwürdigen Insidergeschäft dreier RWE-Spieler die programmierte Feststimmung. Selbst der Abgang von Kapitän und Integrationsfigur Timo Brauer von seinem Rot-Weiss Essen geriet zur Fußnote - über all dies, was sich rund um das Saisonende rankte.

Vielleicht fügte es sich irgendwo in die Reihe etlicher tragikomischer Episoden, die dieses Stadion in seiner bewegten Geschichte bereits gesehen hat, dass ein anonymer Brief rund um das emotionale Abschiedswochenende die Gemüter aufwühlte. Dennoch gingen die leidgeprüften Anhänger auch mit diesem Nackenschlag schließlich fast schon routiniert um und beschränkten sich nach anfänglichen Protesten auf das, was eigentlich im Mittelpunkt dieses Samstags stehen sollte.


Das Fußballspiel bei prächtigem Wetter diente allenfalls als bessere Kulisse für den Kehraus. Maurice Kühn hatte die Mannschaft von Trainer Uwe Koschinat mit einem wuchtigen Kopfball in Führung gebracht (7.). Kerim Avci konnte für die Essener mit einem Gewaltschuss aus der Distanz das 1:1 markieren und gleichzeitig den Schlussakkord unter eine bewegte Geschichte setzen.

Spätestens jetzt war jeder sich selbst überlassen. Teammanager Damian Jamro lehnte an der Ersatzbank und sinnierte: "Ich kann mir noch gar nicht vorstellen, dass es das jetzt wirklich war." Schon am Montag soll die erste Treppe fallen, wenig später soll sich eine Baustraße den Weg über den heiligen Rasen des Georg-Melches-Stadions bahnen.

Schon vor dem Spiel tigerte Waldemar Wrobel wie ferngesteuert über den Rasen und machte sich seine Gedanken zum Großen und Ganzen. Noch immer emotional sichtlich aufgewühlt, nahm sich der 42-Jährige aber schon wieder seiner Vorbildfunktion an und blickte zuversichtlich nach vorn. Von Rücktrittsgedanken wollte Wrobel nichts wissen: "Wir alle im gesamten Team sind angepisst, aber ich wäre doch mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn ich hier nicht weitermachen würde. Wir wollen unseren Weg der kleinen Schritte weitergehen und dann sind wir hier noch lange nicht fertig." Michael Welling indes hatte auf der Auswechselbank Platz genommen und kämpfte mit den Emotionen. Bei allem Brimborium konnte er nicht leugnen, dass dieser Kehraus ihn getroffen hatte.

Doch im Hintergrund reifte allmählich bei allen die Erkenntnis, dass die vorab formulierte Erklärung des Vereins greifen wird - ja: greifen muss! "Die Fans sind größer als einzelne Spieler." Diesen Beweis traten 10907 Zuschauer beim letzten Spiel in der alten Heimat nachdrücklich an.

RWE steht vor einer Reise ins Ungewisse. Doch bei allem mulmigem Gefühl und trotz unschöner Nebengeräusche darf sich der Verein nun gänzlich der Vorfreude widmen. Auf zu neuen Ufern, neuen Erfolgen und wohl auch Rückschlägen. Kurzum: In eine Geschichte, die ganz sicher auch wieder das komplette Gefühlsspektrum abdecken wird. So bittersüß wie Rot-Weiss Essen. So bittersüß wie das Leben selbst.

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