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DFB steht in der Kritik
Grindel stellt sich den Fragen

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DFB steht in der Kritik: Grindel stellt sich den Fragen
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Der DFB steht in der Kritik. Nach über einem Jahr an der Verbandsspitze stellt sich Präsident Reinhard Grindel unseren Fragen.

In einem Sideboard steht das WM-Fotobuch „Eine Nacht in Rio“. Daneben ein kleiner goldfarbener WM-Pokal. Reinhard Grindel (55), Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, nimmt an einem großen Schreibtisch Platz. Seit einem Jahr führt er die Geschäfte des größten Sportverbandes der Welt. Er hat viel zu tun. Wir sprachen mit ihm über Franz Beckenbauer, Anfeindungen der Fan-Gemeinde und den bevorstehenden Confed-Cup in Russland.

Wie ist Ihr aktuelles Verhältnis zu Franz Beckenbauer? Reinhard Grindel (atmet tief durch): Derzeit dauern nach wie vor die staatsanwaltlichen Ermittlungen in Deutschland und der Schweiz an, deren Ergebnisse abzuwarten sind. Davon unabhängig wird der DFB die Verdienste von Franz Beckenbauer als Spieler und Teamchef nie in Zweifel ziehen.

Abgesehen von der WM-Affäre war Beckenbauer die Lichtgestalt des deutschen Fußballs. Haben Sie es nicht versucht, Ihn in einem persönlichen Gespräch wieder zurück zum DFB zu holen? Herr Beckenbauer und ich haben im vergangenen Jahr am Rande des DFB-Pokalendspiels in Berlin ein ausführliches Gespräch geführt. Wir haben uns über viele Aspekte, auch über die Arbeit des WM-OKs, ausgetauscht. Es sind danach einige Dinge bekannt geworden, die nicht Gegenstand des damaligen Gespräches gewesen sind.

Beckenbauer behauptete stets, er arbeite ehrenamtlich. In Wahrheit überwies Oddset ihm 5,5 Millionen Euro. Danach haben Sie sich von ihm distanziert… Ich habe deutlich gemacht, was für mich ehrenamtliche Tätigkeit ist und was nicht. Diese neuen Fakten mussten wir für den DFB sportpolitisch einordnen. Das hat Franz Beckenbauer nicht gefallen, und das ist auch sein gutes Recht gewesen.

Hängt es von der Ermittlungen der Staatsanwälte ab, ob Beckenbauer seine DFB-Ehrentitel behält? Die Verdienste als Spieler und Teamchef bleiben. Und wenn es nach mir persönlich geht, dann gilt das auch ganz unabhängig vom Ausgang der Untersuchungen.

Reinhard Grindel mit unseren Reportern Daniel Berg (l.) und Thomas Gassmann (r.) beim DFB in Frankfurt/Main.  Foto: SK

Bedauern Sie den Fall Beckenbauer menschlich? Es wäre sehr schön, wenn es auch menschlich wieder eine stärkere Annäherung an den DFB gäbe und Herr Beckenbauer weiter dazu beitragen möchte, diese Brücke zu bauen.

Wie könnte das funktionieren? Zunächst ist es wichtig, alle offenen Fragen zu klären.

Stattdessen ist Herr Beckenbauer abgetaucht… Die Haltung der jetzigen DFB-Führung darf nicht als hartherzig empfunden werden, darum geht es nicht. Wenn man einem gemeinnützigen Verband vorsteht, ist man an Vorgaben gebunden. Dazu gehört zum Beispiel, wirtschaftlichen Schaden vom Verband abzuwenden. Als Konsequenz aus den Vorgängen um die WM 2006 stellen die Finanzbehörden die Gemeinnützigkeit in dem Jahr auf den Prüfstand. Dabei geht es um viele Millionen. Das darf man nicht vergessen.

Tun Ihnen Sprechchöre wie „Fußballmafia DFB“ weh? Ja.

Haben diese Fans nicht recht? Ich würde mir wünschen, dass jeder Fan stärker erkennen und berücksichtigen würde, dass wir hier seit mehr als einem Jahr versuchen, eine anständige Arbeit abzuliefern.

Wird der Confed-Cup in Russland politisch eine heikle Mission? Den Confed-Cup werden wir nutzen, um unsere Aktivitäten während der WM 2018 gut vorzubereiten. Wir sprechen mit Stiftungen und Personen, die Russland kennen, damit wir richtige Signale senden.

Könnte es ein Signal geben wie in Kopenhagen, als Kapitän Julian Draxler eine Kapitänsbinde in Regenbogenfarben, das Symbol der Schwulen- und Lesbenbewegung, trug? Ich war angenehm überrascht, wie sehr so eine Geste politischen Widerhall gefunden hat. So etwas wird mit der Mannschaft besprochen. Aber ja, das könnte ich mir gut vorstellen bei der WM 2018.

Werden die Nationalspieler vor der Reise gebrieft? Die Spieler bekommen schriftliche Unterlagen über Land und Leute, aber eben auch mit klaren Hinweisen zu aktuellen politischen Diskussionen. Darüber hinaus hat Oliver Bierhoff vorgesehen, eine Sitzung mit den Spielern abzuhalten, um Fragen zu diesen Unterlagen zu besprechen.

Wird den Spielern auch geraten, sich nicht allzu sehr zu Politischem zu äußern? Nein. Im Gegenteil. Die Spieler sollen ja gerade in die Lage versetzt werden, sich mit bestimmten Fragestellungen auseinanderzusetzen und sich dann eine eigene Meinung zu bilden. Sie bekommen Informationen, aber keine vorgestanzten Sprachregelungen.

Katar, das 2022 die WM ausrichtet, ist in den Schlagzeilen, weil es den Terror unterstützt haben soll. Würden Sie auf WM-Entzug plädieren? Wir haben jetzt noch fünf Jahre bis zu diesem Turnier. Ich hoffe auf eine politische Lösung. Man darf nicht übersehen, dass erhebliche Investitionen in Katar getätigt worden sind, für die die Fifa dann möglicherweise schadenersatzpflichtig wäre. Insofern würde ein solcher Schritt politische Rahmenbedingungen voraussetzen, wie es sie 1992 beim Ausschluss Jugoslawiens von der EM gegeben hat. Ausgangspunkt war damals eine UNO-Resolution. Dafür sehe ich im Augenblick noch gar keine Grundlage. Das ist ein Thema, das die Politik lösen muss und nicht der Fußball. Allerdings würde ich mir schon wünschen – und das gilt für Katar ebenso wie für Russland – , dass mehr über die Menschenrechts- und politische Lage diskutiert wird und sich zum Beispiel die Arbeitsbedingungen für die Bauarbeiter verbessern.

Müssten Turniere in zwielichtigen Ländern auf dem Index stehen? Ich begrüße es sehr, dass zum Beispiel die Uefa bei der Vergabe der EM 2024 auch die Menschenrechtslage zu einem der wichtigen Kriterien gemacht hat, und es ist keine Frage, dass man bei allen zukünftigen Vergabeverfahren anschauen muss, wie sich dort die Verhältnisse darstellen. Andererseits habe ich immer die Meinung vertreten, dass trotz der politischen Lage in Russland die Millionen russischen Fußball-Fans das Recht haben, eine solche WM vor der eigenen Haustür zu erleben. Wollte man Großveranstaltungen nur in die Länder vergeben, die auf den ersten fünf Plätzen bei der Einhaltung der Menschenrechte geführt werden, würden wir uns wahrscheinlich permanent zwischen der Schweiz und Norwegen bewegen. Das kann es auch nicht sein. Insofern ist das ein wichtiges Kriterium, aber kein Ausschlusskriterium. Aber wir müssen auch die Chancen, die ein Turnier für die Entwicklung eines Landes bringen kann, berücksichtigen.

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