Ein Wunderknabe ist Leon Goretzka (22) nicht. Keiner, der wie ein Straßenkicker durch die Reihen des Gegners tanzt und die Zuschauer mit Übersteigern und Hackentricks begeistert. Goretzka ist kein Fußball-Spektakel. Schalkes Spielmacher ist ein Alleskönner. Sagt Michael Ballack, der 98-malige Nationalspieler, beim Gespräch mit dieser Zeitung: „Leon ist ein kompletter Spieler. Er ist defensiv und offensiv stark, er ist schnell, technisch stark, besitzt eine sehr gute Fitness und hat eine starke Einstellung.“
Höchstes Lob vom Bundestrainer
Beim 3:2 gegen Australien stach der Schalker Nationalspieler im Team der Hochbegabten heraus. 78,1 Prozent Pässe kamen an, dazu sieben Torschüsse, 15 gewonnene Zweikämpfe, Strafstoß herausgeholt, Treffer erzielt. Vom Bundestrainer kam höchstes Lob: „Leon war sehr präsent und hat sehr viel gearbeitet, Zweikämpfe gewonnen, hat überragende Läufe in die Tiefe gemacht“, sagte Joachim Löw. „Das ist schwer zu verteidigen.“
Der Confed-Cup in Russland, das kann man nach dem einen Spiel schon sagen, könnte sein Turnier werden. Für Schalke 04 ist das eine gefährliche Entwicklung.
Mit jedem herausragenden Spiel wird Goretzka interessanter für Rekordmeister FC Bayern. Dass sie ihn in München wollen, ist ein offenes Geheimnis. Die Frage ist: Ab wann – jetzt sofort im Sommer oder nächstes Jahr, wenn der Vertrag auf Schalke eh ausläuft?
„Ich würde mir einen Wechsel zum jetzigen Zeitpunkt zu einem europäischen Spitzenklub genau überlegen“, mahnt Ballack und liefert die Begründung: „Er ist erst 22 Jahre alt – in dieser Phase ist es sehr wichtig, dass er spielt, um sich weiter zu entwickeln und zu einer Führungsperson heranzureifen.“
Ballack kennt Goretzkas Situation aus eigener Erfahrung. Er habe in jungen Jahren auch erst bei Bayer Leverkusen angeheuert, um dann im richtigen Augenblick den großen Sprung zu den Bayern zu machen. „Weil ich nicht nur fußballerisch, sondern auch von der Persönlichkeit bereit dazu war.“
Darum rät ihm Ballack dringend, bei Schake 04 zu bleiben: „Dort kann er sich auch mal ein schlechteres Spiel erlauben, ohne Angst zu haben, sofort aus der Mannschaft genommen zu werden.“ Er müsse ja nicht fürchten, dass er niemals mehr wegkommt. „Mit seinem Potenzial“, sagt der einstige Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, „stehen ihm alle Türen offen.“
Von Goretzka und dessen Berater Jörg Neubauer gibt es Andeutungen nur bröckchenweise.
Mal ist zu erfahren, dass er sich nach dem Confed-Cup zu seiner Zukunft äußert – was für einen Abschied spräche.
Mal ist von Forderungen zu lesen, dass er auf Schalke eine wettbewerbsfähige Mannschaft erwartet – was für Bleiben spräche.
Mal gibt er in der Süddeutschen Zeitung in München ein großes Interview – was dafür sprechen könnte, dass er erste Kontakte zur lokalen Presse knüpft.
Mal betonte er seine enge Beziehung zum Ruhrgebiet – was ein Argument für den Pott sein könnte.
Goretzkas Liebe zum Pott
„Ich genieße das schon sehr, dass ich einfach nach Hause fahren kann“, sagte er , „ich kann bei meinem Verein spielen und nach Hause gehen, wo meine Freunde sind, die nicht aus dem Fußball kommen und die ich noch von früher und aus der Schule kenne.“ Umso wichtiger sind Signale, die ihm der neue Trainer auf Schalke heute sendet.