Jahrelang ist Schalke immer gerne nach Berlin gefahren und hat nach einem schönen Wochenende in der Hauptstadt die Punkte mit nach Hause genommen, doch seit Pal Dardai die Hertha mit seinem effektiven Schlafwagenfußball lenkt, hat Schalke auswärts in Berlin nicht mehr gewonnen. Manager Christian Heidel verband das am Sonntag nach dem 0:2 auch mit einer Anerkennung für die Spielweise des Gegners: „Es ist sehr, sehr schwierig, sich Chancen gegen Hertha herauszuspielen.” Das Gleiche hatte Schalke schon nach der letzten Niederlage in Berlin gesagt, allerdings war Heidel da noch nicht dabei. Am 11. März verlor Schalke ebenfalls mit 0:2 in Berlin, das Spiel damals glich dem vom Sonntag wie ein Ei dem anderen: Hertha musste nur auf die Fehler warten, die Schalke früher oder später machte.
Im Frühjahr fielen die Tore in der 43. und 65. Minute (Ibisevic, Stark), diesmal in der 64. und 75. (Weiser, Stocker). „Das war so ähnlich”, erinnerte sich Kapitän Benedikt Höwedes nun an das Spiel im März, das er damals wegen einer Verletzung nur von der Tribüne aus verfolgte. Näher wollte er auf den Vergleich aber nicht eingehen. Schließlich wurde das Spiel damals im März als weiteres Zeichen gewertet, dass es mit Trainer André Breitenreiter keine positive Entwicklung mehr geben würde.
Was sich ein halbes Jahr später geändert hat, sind vor allem die Akteure: Zum Einsatz kamen insgesamt sechs neu verpflichtete Spieler, und mit der neuen sportlichen Leitung um Manager Heidel und Trainer Markus Weinzierl ist die Hoffnung groß, dass daraus auch einmal ein schlagkräftiges Team wird. Nachdem sich zuletzt bereits ein Aufwärtstrend abgezeichnet hatte, war Berlin nun aber ein Rückfall in alte Zeiten. Torjäger Klaas-Jan Huntelaar überlegte: „Die letzten zwei Spiele (gegen Bayern und in Nizza, die Red.) waren gut, aber am Ende hat man null Punkte in der Bundesliga.” Das neue Schalke ist in seiner Entwicklung weiter zurück, als man das erhofft hatte. Besorgniserregend ist die Harmlosigkeit in der Offensive: In drei Bundesligaspielen gelang nicht ein Tor – in Berlin gab es nicht einmal eine echte Chance dazu, nachdem bei der Niederlage im März wenigstens noch der inzwischen auf die Tribüne verbannte Dennis Aogo eine große Möglichkeit zum Ausgleich hatte. Es gelingt der Mannschaft nach wie vor nicht, ihren Zielspieler Klaas-Jan Huntelaar ordentlich in Szene zu setzen. Der Torjäger rechnete hoch: „Beide Mannschaften hatten wenig Chancen, ich weiß nicht, wie viele – auf jeden Fall nur kleine Dinger.”
Wenn im Vorjahr nichts ging, konnte Schalke wenigstens auf die individuelle Klasse von Leroy Sané hoffen. Jetzt sieht es so aus, dass Breel Embolo noch ein Fremdkörper ist und für den Rekord-Einkauf überhaupt eine Position gesucht wird, auf der er der Mannschaft helfen kann. Yevhen Konoplyanka, der zweite neue Stürmer, hatte eine gute Halbzeit gegen die Bayern. In Berlin fand er keine Bindung. Dieses Schicksal teilte auch Max Meyer: Er hatte das Pech, dass Schalke vier Minuten nach seiner Einwechslung in Rückstand geriet und die Ordnung verloren ging. Meyer kam mit viel Selbstvertrauen von den Olympischen Spielen, doch die Wochen danach liefen auf Schalke gegen ihn, weil sich Leon Goretzka auf seiner Position in den Vordergrund spielte. Am Mittwoch, beim Heimspiel gegen den gut organisierten 1. FC Köln, wird es sich Weinzierl aber kaum erlauben können, auf die öffnenden Pässe von Meyer erneut zu verzichten.
Beim Training am Montag wirkte Weinzierl grimmig und nachdenklich, schon nach dem Spiel am Sonntagabend zürnte er: „Wenn du nicht gewinnen kannst, musst du schauen, dass du wenigstens Remis spielst – das haben wir nicht geschafft.” Weil ausgerechnet die beiden Neuzugänge Benjamin Stambouli und Nabil Bentaleb, mit denen eigentlich die Schwachstelle im defensiven Mittelfeld behoben werden soll, mit ihren Ballverlusten die Berliner Tore ermöglichten. Das neue Schalke entwickelt sich also noch im Zeitlupentempo, man muss schon sehr genau hinsehen. Auch die Bosse hatten das anders geplant. „Natürlich haben wir nach dem Spiel in Nizza auf eine Ergebnisentwicklung gehofft, wollten in Berlin punkten, um dann mit Volldampf und Euphorie in das Heimspiel gegen Köln zu gehen“, sagt Heidel und konstatiert: „Das ist jetzt über den Haufen geworfen."