Er gehörte zu denjenigen, die sich als Sieger des langen und zumindest über weite Strecken sachlich abgelaufenen Abends fühlen durften. Denn: Dem amtierenden Aufsichtsrat und dem Vorstand wurde Entlastung für das abgelaufene Geschäftsjahr 2013/14 erteilt. Doch nicht nur das. Bei der Nachwahl zum Aufsichtsrat kamen allein die Vorschläge der amtierenden Verantwortlichen durch; die Opposition, die sich unter dem Motto "Neustart 2014" formiert hatte, erlitt hingegen eine krachende Niederlage. Damit muss vor allem auch 09-Präsident Christoph vorerst nicht mehr befürchten, dass der Aufsichtsrat ihm das Vertrauen entzieht.
Als das feststand, war schon fast vergessen, dass die Abstimmung über den Kooperationsvertrag mit Galatasaray Istanbul, anders als von Jacob geplant, vertagt wurde. Erst dürfen sich alle Mitglieder über Vertragsdetails informieren, bevor auf einer künftigen außerordentlichen oder turnusgemäßen Versammlung dann über den Kontrakt entschieden wird. Das Szenario, dass die Zusammenarbeit mit "Gala" an die persönliche Zukunft von Jacob geknüpft ist, ist damit vom Tisch. Es sollte der einzige nennenswerte Erfolg der Mitglieder, die einen Umsturz im Sinn hatten, bleiben.
Erimtan und Mokanski können auch bei den Kritikern punkten
Ursprünglich hatten sich fünf Kandidaten von Oppositionsseite zur Wahl in das Gremium stellen wollen. Als es soweit war, blieben noch drei übrig. Erst zog David Marczinczik zurück, dann Dr. Andreas Falarzik. Aber auch das half "Neustart 2014" nicht, keiner der anderen drei Kandidaten konnte so viele Stimmen auf sich vereinen, um einen der drei offenen Aufsichtsratsplätze (neben Thorsten Heckendorf und Sascha Teichmann) zu erhalten. Sie gehen an Kemal Erimtan und Ebru Köksal, Aufsichtsratsvorsitzender beziehungsweise Vorstandsmitglied von Galatasaray Istanbul, sowie Reinhard Mokanski.
Mokanski, Gründer und Inhaber von REWE Mokanski und somit neuer Hauptsponsor des Vereins, durfte sich gemeinsam mit Erimtan als Gewinner der Abends fühlen - denn die beiden charismatischen Figuren konnten auch bei kritischen Mitgliedern punkten - obwohl sie der "gegnerischen Seite" zuzurechnen waren.
So ließ Erimtan den Vorsitzenden Jacob ein bisschen alt aussehen, als er erklärte, dass er überhaupt kein Problem damit hätte, sämtliche Details aus dem Kooperationsvertrag offenzulegen. Jacob hatte darauf beharrt, dass über bestimmte Punkte Stillschweigen vereinbart worden sei. Erimtan hätte den etwa 260 Anwesenden im Jugendheim an der Berliner Straße, das nun in Paul-Cohn-Haus umbenannt wird, gern reinen Wein eingeschenkt - auch weil er spürte, wie wenig Vertrauen die Vereinsspitze bei den eigenen Mitgliedern genießt.
Mokanski will alle Wattenscheider mitnehmen
Bei diesem Thema legte auch Mokanski den Finger in die Wunde. Es dürfe nie wieder passieren, dass der Verein Abmachungen nicht einhalte. "Dass die Spieler ihr Gehalt nicht bekommen und den Verein verklagen, wird mit mir nicht passieren", versicherte der Unternehmer. Er bewies Größe, als er nach gewonnener Wahl das Wort an die unterlegenen Kandidaten richtete und sie einlud, trotzdem konstruktiv im Verein mitzuarbeiten. Dieses "Mitnehmen" der Mitglieder, das wurde am Mittwochabend noch einmal überdeutlich, war zuvor viel zu kurz gekommen. Darum bemühte sich auch Jacob schließlich noch einmal und gelobte Besserung.
Die finanzielle Situation des klammen Vereins, der mit rund 250.000 Euro "negativem Eigenkapital" immer noch überschuldet ist, lässt sich in aller Kürze so beschreiben: Sehr ernst, aber nicht völlig hoffnungslos. Nur dank der Transferbeteiligung bei den Wechseln der ehemaligen Jugendspieler Kerim Demirbay und Dustin Bomheuer, die 40.000 Euro in die Wattenscheider Kasse spülten, steht die SG noch einigermaßen da - ohne die 70.000-Euro-Spritze von Gala wäre im Sommer schon Feierabend gewesen. Und diese Kuh, das wurde deutlich, ist noch lange nicht vom Eis.
Zu Tagesordnungspunkt 10, "Verschiedenes", hatte übrigens keiner mehr etwas zu sagen, die vorangegangenen viereinhalb Stunden waren auch so anstregend genug gewesen.