90+4-Expertentalk zum Thema "BVB vs. S04 – und sonst? Markenduell oder Markenvielfalt im Ruhrgebiets-Fußball"
Auf der Suche nach Einzigartigkeit


„Wir leben Dich.“ Bestimmt schon mal gehört, oder? „Echte Liebe.“ Na klar, kennt man auch. Die beiden „Claims“ beweisen: Die Marken-Macher der großen Revierklubs Schalke 04 und Borussia Dortmund haben in den letzten Jahren gute Arbeit geleistet.

Am Montagabend fand an der BiTS („Die Unternehmer-Hochschule) in Iserlohn das erste Symposium Sport Event Management statt. Dekan Prof. Dr. Michael Denninghoff freute sich, im Audimax nicht nur rund 100 Studierende, sondern auch fünf echte Experten begrüßen zu dürfen. Neben David Görges, Leiter Neue Medien beim BVB und Björn Endter, Leiter Markenführung und Merchandising auf Schalke, diskutierten beim „90+4“-Talk auch Andrea Peschke (Leiterin Marketing und Vertrieb beim VfL Bochum), MSV-Geschäftsführer Peter Mohnhaupt und Dr. Michael Welling mit. Letzterer ist nicht nur 1. Vorsitzender von Rot-Weiss Essen, sondern auch Dozent für Sportmanagement an der BiTS.

Welling hatte also ein „Heimspiel“ und eröffnete den Abend mit einem bemerkenswerten Beispiel für die Kraft von Marken: Während sich im Februar nur 13.300 Zuschauer zum DFB-Pokal-Viertelfinale zwischen der TSG Hoffenheim und dem VfL Wolfsburg aufrafften, pilgerten wenige Wochen später 20.000 an die Hafenstraße, um den Verbandspokal-Schlager zwischen Rot-Weiss und dem MSV zu sehen. Aber die erstaunliche Zugkraft der beiden abgestürzten Traditionsvereine ist nur ein schwacher Trost.

Welling will Tasmania Berlin ablösen

Auf die Gretchenfrage, was denn nun wichtiger sei, Einnahmen oder die Identität des Klubs, antwortete Welling. „Natürlich wollen wir sportlichen Erfolg. Drei Niederlagen in der Bundesliga würde ich sofort mit Kusshand nehmen, auch zehn. Oder eine ganze Saison. Dann hätten wir Tasmania Berlin als Rekordloser in der Bundesliga abgelöst.“ Das lässt sich als Viertligist ja locker mal behaupten. Und bei RWE auch mit einer entsprechenden Imagekampagne ausgeschlachtet würde – davon kann man beim „Doc“ getrost ausgehen.

So wird an der Hafenstraße auch im kommenden Sommer groß gefeiert, denn dann begeht der Verein ein Jubiläum: Die einzige Deutsche Meisterschaft holten die Bergeborbecker 1954/55, vor genau 60 Jahren. „Ist das auf Schalke auch denkbar?“, fragte Moderater Ralf Bosse schnippisch. Der letzte Meistertitel der Königsblauen datiert schließlich auch von 1958. Endter konterte: „Es ist nichts geplant. Wozu auch? ich bin mir sicher, dass wir vorher Meister werden.“ Sollte es nicht klappen, ist allerdings auch kaum vorstellbar, dass sich in Gelsenkirchen jemand ein T-Shirt mit einem selbstironischen „60 Jahre keine Schale“ überstreift.

„Schalke ist schon immer eine Marke gewesen“

Vielleicht in Dortmund, wo es in den letzten Jahren nicht nur gelang, sportlich in neue Sphären vorzustoßen, sondern auch in der Außendarstellung. „Ohne die sportlichen Erfolge könnten wir diese Geschichte so auch nicht erzählen“, meinte Görges und präsentierte stolze Kennzahlen: Die Borussia hat seit Jahren den besten Zuschauerschnitt aller europäischen Fußballklubs (80.500), rund 11 Millionen facebook-Fans und ist auch in Asien eine große Nummer: Eine Million Chinesen folgen dem BVB bei der Social-Media-Plattform „Renren“.

Vor allem aber haben sich die 09er ein neues Leitbild verpasst, und dieses auch in einer 50-seitigen „Markenbibel“ niedergeschrieben. Daran, so erklärte Görges, könne sich jeder BVB-Mitarbeiter auch bei der täglichen Arbeit orientieren. Jeder Angestellte der Borussia sollte sein Exemplar immer dabei haben. Zum Beweis zog Görges sein eigenes Büchlein dann aus der Sakkotasche – das ist „echte Liebe“!

„Schalke ist schon immer eine Marke gewesen“, hielt Endter dagegen und berichtete vom schwierigen Spagat zwischen Tradition und Moderne. Die konkrete Umsetzung in der aktuellen Kampagne 2014/15 lautet „1000 Freunde, unzählige Kumpel“ und arbeitet ganz offensiv mit Ruhrpott-Klischees. Davon haben die anderen Nachbarn sich mittlerweile bewusst verabschiedet – und ohnehin andere Sorgen. Um solche Image-Feldzüge wie Schalke oder Dortmund zu starten, fehle dem MSV, VfL und RWE schlichtweg das nötige Geld, erläuterte Welling. So geht es wohl auch gerade für Klubs der zweiten Kategorie weiterhin darum, sich als Nischen-Phänomen interessant zu machen. „Rotzig und oldschool“ soll Essen beispielsweise sein. Wohltuende Worte in einer Marketing-Welt, in der es sonst nur auf das „Engagement“ am „Offline Touchpoint“ anzukommen scheint. Womit übrigens der Fanshop gemeint ist.