Startseite

Garcia-Report
Beckenbauer gerät in Erklärungsnot

(0) Kommentare
Garcia-Report: Beckenbauer gerät in Erklärungsnot
Foto: firo
Holstein Kiel
Holstein Kiel Logo
20:30
Fortuna Düsseldorf Logo
Fortuna Düsseldorf
18+ | Erlaubt (Whitelist) | Suchtrisiko | buwei.de

Am Tag nach Veröffentlichung des sogenannten Garcia-Reports reagiert der DFB-Präsident in ungewohnter Schärfe.

„Ich will nicht verschweigen, dass wir Deutsche wenig Grund haben, mit erhobenem Zeigefinger durch die Fußballwelt zu marschieren“, sagte Reinhard Grindel zu einem 430 Seiten langen Untersuchungsbericht, den der New Yorker Anwalt Michael J. Garcia zur WM-Vergabe an Russland 2018 und Katar 2022 vorgelegt hatte (wir berichteten). Der Reformwillen des DFB-Chefs bringt auch Franz Beckenbauer in Erklärungsnot.

Grindel fordert „eindeutigere Regelungen in den Verhaltensrichtlinien“, wie WM-Bewerber innerhalb des Weltverbandes Fifa um Stimmen buhlen dürfen. Der Technischen Kommission, die für die Fifa Bewerberländer bewertet, müsste man „eine viel größere Bedeutung bei der Vergabe-Entscheidung“ geben, um „aufgrund objektiver, nachvollziehbarer Kriterien“ einen geeigneten WM-Gastgeber auszumachen.

Der Garcia-Report befasste sich u.a. mit Korruptionsvorwürfen an Katar. Der künftige WM-Gastgeber fühlt sich durch den Bericht bestätigt, dass das Bewerbungsverfahren sauber abgelaufen ist. Anders bei Mitbewerber Australien. Offensichtlich wurde der stimmberechtigte Franz Beckenbauer sehr umgarnt.

Auf mehr als fünf Seiten dokumentiert der Garcia-Report, wie sich Franz Beckenbauer, früher Mitglied im Fifa-Exekutivkomitee, den Ermittlungen entzog. Fragen über geschäftliche Verbindungen zu Fedor Radmann, der Australien bei der WM-Bewerbung 2022 beraten hat, wollte er nicht beantworten. Als ihn die Fifa seinerzeit sperrte, wurde sein Satz berühmt, man habe ihm 130 Fragen in Englisch vorgelegt, die er nicht verstanden habe, darunter das Sterbealter seiner Oma. Später räumte Beckenbauer ein, er habe das Verfahren bei diesen Ermittlungen "unterschätzt".

Der Garcia-Report belegt jetzt, dass es nur 21 Fragen waren und keine nach der Oma. Angeblich wurde ihm zur Verweigerungshaltung geraten. Das war ein Fehler. Beckenbauer war zur Kooperation verpflichtet und durfte wegen der Fifa-Sperre nicht zur WM 2014 nach Brasilien.

„Es ist schon sehr bedrückend, was vor allem über die Rolle von Fedor Radmann zu lesen ist“, so DFB-Präsident Grindel. Weder Beckenbauer noch Radmann wollen sich bisher öffentlich äußern. Ihr Schweigen ist nachvollziehbar. Gleich an mehreren Stellen wird deutlich, wie Radmann als Drahtzieher auftritt, Beckenbauer wie Radmann-Freund Andreas Abold größten Wert auf Verschwiegenheit und Abstinenz aus den Akten und Emails Wert legen.

Mehrfach wird laut Garcia-Report versucht, unlautere Verbindungen zwischen dem Beraterstab um Radmann/Abold auf der einen und dem stimmberechtigten Exekutiv-Mitglied Beckenbauer auf der anderen Seite zu unterbinden. Dass eine Freundschaft vorliegt, ist unstrittig. Beckenbauer vertraut Radmann. Aber wie weit ging die Freundschaft? Bewiesen ist nichts. Der Garcia-Report unterstellt allenfalls eine Systematik. Während des Bewerbungsverfahrens war die Verbindung nicht zu entschlüsseln. Genutzt hat es eh wenig: Australien schied sofort in der ersten Runde aus.

Darum forciert DFB-Präsident Grindel jetzt, was dieses Portal am Tag der Veröffentlichung des Garcia-Reports gefordert hat: Dass der Deutsche Fußball-Bund eine Vorreiterrolle übernimmt. Die Technische Kommission soll transparent und nachvollziehbar nach Kompetenz durch das Fifa-Council aufgestellt werden -- "und darf nicht in Hinterzimmern in Zürich entschieden werden", so Grindel weiter. Von der Ethik-Kommission in Zürich erwartet er eine Stellungnahme, welche Konsequenzen aus dem jetzt öffentlichen Garcia-Bericht gezogen werden.

Der Garcia-Bericht geht auf Handlungen ein, wie mit Luxus-Reisen, Millionenzahlungen und sonstigen Vergünstigungen Sympathien für WM-Bewerbungen ergattert werden sollten. Nicht alles ist strafrechtlich relevant, aber mindestens anrüchig. Von den 22 Exekutiv-Mitgliedern, die 2010 über die genannten zwei WM-Vergaben entschieden haben, darunter Beckenbauer, sind nur noch zwei im Amt. Viele andere mussten zurücktreten, wurden gesperrt oder schieden aus anderen Gründen kurzfristig aus. Der Garcia-Report steht nur indirekt in einem Zusammenhang mit den staatsanwaltlichen Untersuchungen in den USA und den Festnahmen von hohen Funktionären. Chefermittler Garcia hatte sich allein um die Umstände vor der WM-Vergabe zu kümmern. Auch gibt es im Fall Beckenbauer keinen Zusammenhang mit den dubiosen Millionenzahlungen, die die deutsche WM-Organisation vor der WM 2006 getätigt hat.

Diskutieren Sie mit Pit Gottschalk bei Twitter: @pitgottschalk

Deine Reaktion zum Thema
Dieses Thema im Forum diskutieren » (0 Kommentare)
1
2
3
4
5
1
2
3
4
5
1
2
3
4
5
Neueste Artikel