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Chronik einer angekündigten Entlassung
Hannes Bongartz‘ letztes Bundesligaspiel – vor 10 Jahren

Chronik einer angekündigten Entlassung
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Allein die Tatsache, dass der Fußballlehrer Hannes Bongartz vor zehn Jahren bei Borussia Mönchengladbach beurlaubt wurde, ist sicher nicht erwähnenswert. Das zählt zu den Zwangsläufigkeiten des irdischen Daseins, die schon vor langer Zeit der einstige irische Nationaltrainer Eoin Hunt ganz prosaisch formuliert hat: „Soviel steht fest: Menschen sterben und Trainer werden entlassen!“ Doch die Chronik dieser angekündigten Entlassung am Niederrhein hat ihren eigenen Charme.

Anschließend musste er dort aber einige unangenehme Fragen beantworten. Denn Drygalski, ein früherer Konditionstrainer von Hennes Weisweiler, der als Präsident gerne auch mal aus der Trainerkabine mit seiner Mutter zu telefonierte, wenn seine leitenden Angestellten die Halbzeitansprache an die Mannschaft vorbereiteten, hatte die Autorität des Trainers in seiner gewohnten nassforschen Art untergraben. „In der Präsidiumssitzung habe ich ihm gesagt: Mit diesen Äußerungen erschweren Sie mir die Arbeit“, gab Bongartz zu Protokoll. Die Freiheit seine Arbeit zu erledigen, spürte er aber noch: „Wenn ich die nicht hätte, wer für mich Schluss!“ Und für seinen Mittelfeldstar hatte der Trainer auch schon eine Utopie: „Ich würde mich freuen, wenn er am Montag hier als Sportsmann käme und Spaß hätte, mit dieser Mannschaft Fußball zu spielen!“

Verzweifelung auf der Gladbacher Bank anno 1997: Manager Rolf Rüssmann, Co-Trainer Dirk Heyne und Hannes Bongartz. (Foto: firo)

Ein Trugschluss! Medienmann Rathke: „Der Hannes Bongartz denkt wie ein Fußballer. Man gibt sich nachher die Hand und dann geht es weiter.“ Aber so war es nicht. Wut schnaubend, mit fast spürbaren Wölkchen aus der Nase und im Schlepptau seiner Ehefrau und Beraterin Martina, fuhr Effenberg im Geländewagen vor und verlangte die Freigabe, um den Klub zu wechseln. Die Funktionäre traten dem eher pubertären Auftreten der blonden Diva nicht entgegen, im Gegenteil. „Wir möchten Stefan Effenberg auf jeden Fall behalten“, flötete Drygalski. Dazu kam, dass auch andere Mittelfeldspieler versuchten sich zu positionieren und aus dem Schatten Effenbergs zu treten, besonders Karlheinz Pflipsen und Peter Wynhoff. „Es war eine sehr schwierige Situation“, analysiert Rolf Rüssmann zehn Jahre später. „Da drehte sich einiges gegen Hannes.“ Denn dessen Rückhalt bei den Fans war nicht so groß, was auch daran gelegen haben mag, dass der Rheinländer Bongartz nicht den Dialekt des Niederrheins sprach, sondern eher den des Kohlenpotts.

Der Fall: Effenberg

Die Medien gaben sich in der Woche nach Effenbergs Verbannung die Klinke in die Hand, Bongartz berichtete in der Pressekonferenz von einem positiven Gespräch mit dem eingeschnappten und den Journalisten gegenüber schweigsamen Star. „Für mich ist die Sache erledigt, er soll diese Woche vernünftig trainieren und weitermachen“, forderte Bongartz und hatte auch noch einen Scherz auf den Lippen: „Dass Stefan nicht am Montag kommt und mich umarmt und sich bedankt für das Wochenende, das ist doch wohl normal.“

Es war eine Woche, die einiges veränderte bei Borussia Mönchengladbach. Während vorher die Medienvertreter bisher immer auf den Parkplatz der Spieler gehen und sie dort ansprechen durften, wurde diese Ecke des Trainingsgeländes nun zur Tabuzone. Das änderte sich bis zum Umzug in den Borussia-Park nicht. Am Dienstagabend gab es Krisensitzung mit allen Beteiligten, einschließlich Martina Effenberg. Die Wogen glätteten sich, am nächsten Samstag spielte Effenberg wieder mit, doch die Borussia verlor sang- und klanglos mit 0:2 bei Schalke 04. Es wurden im Parkstadion 16:3 Ecken für die Gelsenkirchener gezählt, zweifacher Torschütze war Johann de Kock. Danach wurde der frühere Nationalspieler mit dem markanten Mittelfinger auch wieder gesprächiger. Es seien so viele Spieler schon vor ihm in Mönchengladbach gewesen. „Da waren sie Durchschnitt, und das wird auch so sein, wenn ich wieder weg bin.“ Trainer Bongartz schrieb er ins Stammbuch: „Er braucht mich, oder wird mich nicht ein zweites Mal suspendieren wie vor dem Köln-Spiel.“ Sätze wie „Ich habe kein gutes Verhältnis zum Trainer“ oder „Wie vor ein bis eineinhalb Jahren wird das Betriebsklima in der Mannschaft nicht mehr werden“ ließ er folgen.

Für Pressesprecher Rathke war es der entscheidende Vorfall: „In der Mannschaft hat Bongartz dadurch brutal an Akzeptanz verloren.“ Wenig später trat Drygalski als Präsident zurück und wurde von Wilfried Jacobs beerbt. Die Borussia kam aus dem Keller der Tabelle nicht mehr heraus und beim Wolfsburg-Spiel skandierte die Menge „Nie mehr Hannes Bongartz!“ Er zog die Konsequenz und erklärte auf dem Weg in die Kabine seinen Rücktritt. Rolf Rüssmann meinte damals: „Die Situation hat sich so zugespitzt, dass sie einer Lösung bedurfte.“ Präsident Jacobs sagte: „Davor ziehe ich meinen Hut. Hannes Bongartz hat die Strömungen am Bökelberg erkannt.“ Doch auch seine Nachfolger wurden derer nicht Herr, Norbert Meier hielt sich nur ein paar Monate im Amt und Friedel Rausch schaffte zwar im letzten Spiel der Saison den Klassenerhalt, stieg aber im Jahr darauf mit Mönchengladbach ab.

Weder Effenberg noch Bongartz wollen die Ereignisse zehn Jahre später kommentieren. Effenberg macht gerade Urlaub in den USA, Bongartz arbeitet in Griechenland. Seit Sommer ist er Sportmanager beim FC Skoda Xanthi, einem Erstligisten im Norden des Landes. Sein Vertrag geht bis 2010, aber sportlich läuft es derzeit nicht so gut. Wann die alt-bekannten Mechanismen des Fußball-Marktes wieder greifen, weiß niemand, aber für Hannes Bongartz hat der Job nahe der bulgarischen Grenze gegenüber der Novembertristesse des Bökelbergs vor zehn Jahren einen entscheidenden Vorteil: „Es ist angenehm hier, so etwa 16 bis 17 Grad.“

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