Als Sportpsychologe arbeitet er seit Jahren für verschiedene Bundesligavereine. Er gilt als Experte für extreme Krisenerfahrungen von Teams in Krisensituationen (H96, VfL Wolfsburg).
Andreas Marlovits, was geht in den Köpfen von Spielern vor, wenn sie so brutal mit der Wirklichkeit konfrontiert werden und in Gefahr geraten wie das zuletzt beim BVB passiert ist? Wie jeden Menschen auch erschüttert und schockt es, wenn man unerwartet mit großer Gefahr konfrontiert wird. Wenn dann auch noch Verletzte zu beklagen sind, macht es die unmittelbare Bedrohungssituation und die eigene Ohnmacht noch deutlicher. Das gesamte persönliche System ist von der Heftigkeit der Situation einfach überfordert.
Was muss ein Trainer leisten? Richtig schwierig für den Trainer ist, dass er sich in einer Doppelrolle befindet. Er ist ja zum einen selbst betroffen. Zum anderen ist er Führungsperson und verantwortlich für die Steuerung des Gesamtprozesses. Die schwierige Aufgabe für ihn besteht darin, das Erlebte so schnell wie möglich zu bearbeiten, um handlungsfähig zu werden.
Wie verhält sich ein Verein richtig? Aus meiner Erfahrung ist es wichtig, einen fachlichen Blick auf die Mannschaft zu werfen und dass man ihr eine wirksame Begleitung zur Verfügung stellt. Wird ein solch schockierendes Ereignis nicht aktiv bearbeitet, besteht die Gefahr, dass man in einer Art Traumatisierungsschleife stecken bleibt. Stabilität und Leistungsfähigkeit einer Mannschaft hängen dann an einem seidenen Faden. Zugleich sollte der Verein entsprechend Fans und Umfeld in den Prozess mit einbeziehen und auch sie aktiv einbinden.
Ist es richtig, dass am nächsten Tag an gleicher Stätte gespielt wird? Die Spielstätte selbst ist ja nicht Ort des Anschlags gewesen. Insofern setzt man die Spieler nicht einer erneuten Belastung aus. Wichtig wird sein, dass man das Gefühl vermittelt, dass das Stadion sicher ist.