Startseite » Fußball » 2. Bundesliga

MSV: Piotr Reiss
"Der MSV war besonders"

Was macht eigentlich? Piotr Reiss
VfB Lübeck
VfB Lübeck Logo
19:00
MSV Duisburg Logo
MSV Duisburg
18+ | Erlaubt (Whitelist) | Suchtrisiko | buwei.de

In der Saison 1999/2000 ist der MSV Duisburg aus der Bundesliga abgestiegen. Doch die Fans hatten trotzdem einige Male Grund zur „Freude“:

Ein neuer Publikumsliebling wurde in dieser Abstiegssaison geboren. Piotr Reiss.

Der Pole kam im Oktober auf Leihbasis von der Berliner Hertha zum MSV ins Wedau-Stadion, und spielte sich durch seine Tore (fünf in 22 Partien) und vor allem seine enorme Laufbereitschaft in die Herzen der Zebra-Anhänger.

Im Mai musste Reiss den MSV verlassen. Doch er hätte gern weiter für die Blau-weißen gespielt. Die Meidericher konnten aber die von Hertha geforderte Ablösesumme für den Angreifer nicht stemmen.

Mit RevierSport unterhielt sich der 37-Jährige über seinen Aufenthalt in Duisburg, seine besondere Beziehung zu den MSV-Fans, den Korruptionsverdacht gegen seine Person und die Zukunftspläne des ehemaligen Lech-Spielers.

Piotr Reiss, Sie haben in Deutschland für die Hertha, Greuther Fürth und Duisburg gespielt. Beim MSV hatten Sie die erfolgreichste Zeit, was war in Meiderich anders als in Berlin und Fürth?

Als ich nach Deutschland kam, da habe ich eine andere Welt vorgefunden. Große Stadien, die immer gut besetzt waren und professionelle Bedingungen. Alles war anders, doch der MSV war Besonders. In Fürth war ich nur kurz. Dort kam ich überhaupt nicht klar. Berlin wiederum war ein viel größerer Klub als der MSV. Zu dieser Zeit war Berlin wohl eine Nummer zu groß für mich. Zudem hatte ich in der Hauptstadt keine Rückendeckung durch den Coach.

Reiss wäre gerne noch mehr Kilometer für die Zebras galoppiert - Leider kam der Abstieg dazwischen (Foto:firo).

Und in Duisburg?

An diese Station erinnere ich mich immer gerne zurück. Ich war zwar nur von Oktober bis Mai in Duisburg aktiv, doch in dieser kurzen Zeit habe ich den MSV in mein Herz geschlossen. Hier hat einfach alles gestimmt. Ein guter Trainer, eine homogene Mannschaft und sensationelle Fans. Die Anhänger haben mich dann auch zum „Spieler der Saison“ gewählt. Ich hätte sie gerne als „Fans der Bundesliga-Saison" ausgezeichnet. Denn obwohl wir abgestiegen sind – was mich immer noch wurmt, da ich sonst sicherlich länger in Duisburg geblieben wäre – haben uns die Leute immer nach vorne gepeitscht. Für diese Zuschauer bin ich gerne gelaufen.

Was für besondere Erinnerungen haben Sie an die Wedau?

Ich habe in Ratingen gewohnt, Duisburg war ehrlich gesagt keine schöne Stadt. Diese Stadt hat das Pech, dass sie einen Hafen besitzt, aber keine Hafenstadt ist. Das nötige Flair fehlt. Doch die Menschen in Duisburg waren großartig. Immer hilfsbereit, immer freundlich. Ganz ander als zum Beispiel in Fürth. Ich habe mich im Ruhrgebiet unheimlich wohl gefühlt. Auch von der Vereinsseite wurde ich nie im Stich gelassen, mir wurde in allen Lagen unter die Arme gegriffen. Den MSV Duisburg habe ich ale einen profesionellen, aber familiären Verein in Erinnerung. Diese Kombination ist nicht selbstverständlich.

An welche Mannschaftskollegen erinnern Sie sich gerne zurück?

Wir hatten eine lustige "slawische MSV-Kombo" beisammen. Zur dieser Zeit spielten Gintaras Stauce, Pavel Drsek, Tomasz Hajto, Marijan Kovacevic und ich Meiderich. Wir hatten viel Spaß gemeinsam. Ich kann mich noch gut an Übungseinheiten erinnern, in denen wir uns in einer slawischen "Misch-Masch Sprache" untereinander unterhalten haben. Friedhelm Funkel war das des Guten zu viel. Der Trainer unterbrach das Training und rügte uns mit den Worten: "Hier wird deutsch gesprochen".

Wie war Ihr Verhältnis zu Funkel?

Funkel war einer meiner besten Trainer. Er hat mir die nötige Rückendeckung gegeben, die ein Stürmer einfach braucht. Ich erinnere mich gerne an diese Zusammenarbeit zurück.

In Deutschland haben Sie wenige Tore erzielt, in Polen sind Sie dagegen der Rekord-Torschütze. Sie haben für Lech Posen in 399 Spielen 135 Treffer erzielt. Insgesamt haben Sie zwölf Jahre bei Lech verbracht. Das ist der Klub Ihres Herzens, oder?

Lech Posen ist meine große Liebe. Ich bin in Posen geboren und habe fast mein ganzes Leben in Wielkopolska („Woiwodschaft Großpolen“ mit der Haupstadt Posen, Anm. d. A.) verbracht. Nach meinem Rauswurf bei Lech bin ich in der Stadt geblieben. Ich spiele jetzt für den Zweitligisten Warta Poznan. Warta ist kein Rivale von Lech, denn in Posen zählt nur der „Kolejorz“, so werden die Lech-Fans genannt. Wenn Warta ein echter Stadtrivale wäre, dann könnte ich es nicht übers Herz bringen, für diesen Klub zu spielen.

Bei Lech ist Reiss eine Ikone. Er schoss für den Posener-Klub 135 Treffer in 399 Partien (Foto:privat).

Sie sprechen ihren Rauswurf an. Was ist da genau vorgefallen?

Ich bin offiziell wegen Korruptionsverdacht angeklagt. Der Prozess steht noch aus. Doch für mich ist das eine Farce. Ich wurde niemals geschmiert und habe auch niemanden Geld angeboten, um irgendein Spiel zu verschieben. Mir wurde lediglich „Motivationsgeld“ angeboten. In Deutschland hat Uli Hoeneß doch auch Unterhaching für einen Sieg gegen Leverkusen Weißwürste und Bier versprochen. In Spanien hat Real Saragossa auch mal einen „Motivationsschub“ von Barcelona erhalten, als es für Saragossa gegen Real Madrid ging. Das sind Motivationsmittel und keine Korruption. In meiner Situation war es ähnlich.

Für Sie muss es ein Stich ins Herz sein, dass sie bei Lech nun unerwünscht sind, oder?

Ich bin bei den Verantwortlichen unerwünscht. Die Fans stehen immer noch zu mir und das macht mich froh. Das zählt für mich. Ich habe immer alles für die blau-weißen Farben von Lech gegeben.

Nach dem Korruptionsverdacht war Piotr Reiss bei den Verantwortlichen von Lech unten durch. Im Sommer wechselte der Goalgetter zum kleinen Nachbarn Warta Posen (Foto:privat).

Lech und der MSV haben die gleichen Vereinsfarben. Diese Farben sind Ihnen wohl am liebsten.

Natürlich. Lech ist mein Heimatverein. Doch der MSV ist auch tief in meinem Herzen verankert.

Verfolgen Sie noch die Ergebnisse des MSV?

Ich bin die ganze Zeit auf dem Laufenden. Ich drücke dem MSV die Daumen. An dieser Stelle möchte ich alle Fans der Duisburger grüßen. Ich wünsche dem MSV und seinen Fans alles Gute. Ich hoffe, dass im Jahr 2010 der Aufstieg an der Wedau gefeiert wird.

Vielleicht kommen Sie dann mal nach Duisburg zu Besuch?

Ich würde sehr gerne das neue Schmuckkästchen der Zebras sehen. Leider war ich noch nicht in der neuen MSV-Arena. Das muss ich unbedingt nachholen.

Was dürfen wir Ihnen für die Zukunft wünschen?

Ich hoffe, dass meine Knochen noch ein bisschen mitmachen, denn ich will noch eine Weile profesionell gegen den Ball treten. Zudem würde ich gerne irgendwann mal als Funktionär für Lech Posen arbeiten. Doch in der nahen Zukunft wünsche ich dem MSV den Bundesliga-Aufstieg. Denn das haben die heißblütigen Anhänger und der Klub um Walter Hellmich einfach verdient.

Deine Reaktion zum Thema
1
2
3
4
5
1
2
3
4
5
1
2
3
4
5
Neueste Artikel