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Biographie erschienen: Schwuler Fußballer hat sich geoutet
"Männerwelt ist ideal zum Verstecken"

Schwuler Fußballer: Marcus Urban hat sich geoutet
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Er ist vorbereitet auf das, was im Augenblick von ihm verlangt wird: Termine und Nachfragen zwischen echtem Interesse und sensationsheischender Neugier. Marcus Urban ist schließlich nicht dumm oder naiv. Er weiß sehr genau, worauf er sich eingelassen hat, die Medienhatz ist nicht neu für ihn. Es geht dabei nicht nur um den Verkaufserfolg seiner jetzt erschienenen Biographie.

Marcus Urban hat ein Anliegen. Er ist schwul und er war ein ziemlich guter Fußballspieler. "Ich würde gerne ein Baustein für eine Entwicklung sein, dass eines Tages ein Mittelstürmer mit seinem Freund zur Vereins-Weihnachtsfeier kommen kann", sagt der 37-Jährige. Der Journalist Ronny Blaschke hat nach zahlreichen intensiven Gesprächen mit Urban die Lebensgeschichte des einstigen Jugend-Auswahlspielers der DDR aufgeschrieben: "Versteckspieler". "Ich wollte loswerden, dass bei mir irgend etwas schief gelaufen ist", sagt Marcus Urban, "für mich ist es schön, meine Geschichte zu erzählen, weil es auch mit Anerkennung verbunden ist, die ich vorher zum Teil vermisst habe."

Das Buch ist Teil einer eigenen Problem-Verarbeitung, aber es rührt auch an eines der letzten Tabus: Fußball und Schwulsein. "Pauschal könnte ich keinem aktiven Profi zur Zeit raten, sich zu outen", sagt Corny Littmann, der bekennend schwule Präsident des Zweitligisten FC St. Pauli, "im Umfeld Profifußball ist es schwierig, sich zu jedweder persönlichen Schwäche zu bekennen." Dass es gleichgeschlechtlich orientierte Spieler in den Bundesligen gibt, steht außer Frage. "Diese ausgesprochene Männerwelt kann sogar ein idealer Ort sein, sich zu verstecken", meint Urban.

Dabei verursacht das Verheimlichen der tatsächlichen Neigung bis hin zu Scheinehen und Doppelleben sicherlich Leidensdruck bei den Betroffenen. So waren jedenfalls die eigenen Erfahrungen des einstigen Talents von Rot-Weiß Erfurt, das seit seinem 13. Lebensjahr in einer Kinder- und Jugendsportschule ausgebildet wurde. Die innere Zerrissenheit wurde zum steten Begleiter, seit er merkte, dass er Männer liebt: "Ich dachte mir, ich bin Fußballer, also kann ich nicht homosexuell sein."

Idealerweise wäre Urbans Buch als Diskussionsgrundlage überflüssig. Über homosexuelle Friseure oder Bürgermeister deutscher Großstädte regt sich auch niemand mehr auf. Aber im Fußball? "Bis auf einen gab es bei zahlreichen Kommentaren von Spielern, Trainern und Funktionären zu dem Thema keinen, der negativ war", sagt der Wahl-Hamburger.

Der eine ist Christoph Daum, der Ende Mai in einer DSF-Dokumentation zu dem Thema Homosexuelle in die Nähe von Kinderschändern gerückt hatte. Der Trainer des FC Köln hat seine Aussagen über den notwendigen Schutz von Jugendlichen allerdings inzwischen auch auf Heterosexuelle ausgeweitet und damit relativiert. "Daum ist kein Einzelfall", meint allerdings Autor Blaschke, "er steht für Unwissenheit und Vorurteile in der Gesellschaft."

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat in seiner Satzung seit 2000 einen Anti-Rassismusparagraphen, Ähnliches gegen die Diskriminierung Homosexueller gibt es noch nicht, auch wenn sich DFB-Präsident Theo Zwanziger mittlerweile dem Kampf gegen Homophobie im Fußball verpflichtet fühlt. Urban, dessen Profikarriere auch wegen einer Knorpelverletzung kurz vor Erreichen der 2. Liga endete, kickt seit 14 Jahren in Hamburg in der Schwulenmannschaft beim Verein "Startschuss". Seit seinem öffentlichen Coming Out vor zwei Jahren ist Urban nun der "Vorzeige-Schwule" im deutschen Fußball. Der einzige bislang. Das braucht Kraft, aber er ist vorbereitet. Und er hat ein Anliegen.

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