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Nuri Sahin über Entwicklungen, Chancen und Druck
„Wir sind reifer geworden“

BVB: Nuri Sahin im Interview
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Es gibt Spieler, die sind scheinbar schon ewig dabei, und stehen doch erst am Beginn ihrer Karriere. Ein Beispiel dafür, vielleicht sogar das beste, ist der Dortmunder Nuri Sahin.

Am 6. August 2005, also vor über drei Jahren, feierte der türkische Nationalspieler im Alter von 16 Jahren und 335 Tagen sein Bundesliga-Debüt im schwarz-gelben Dress – und war damit der jüngste Kicker aller Zeiten in Deutschlands Eliteklasse. Weitere Rekorde folgten: jüngster Bundesliga-Torschütze, jüngster türkischer A-Nationalspieler, jüngster türkischer Torschütze in einem A-Länderspiel...

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Eine rosige Zukunft schien vor dem technisch hochbegabten Mittelfeldspieler zu liegen, doch Thomas Doll, damals noch Trainer beim BVB, entschied sich gegen den Youngster und setzte lieber auf bewährte Kräfte. Sahin steckte den Kopf nicht in den Sand und gab sich mit seinem Bankplatz zufrieden, sondern folgte dem Ruf seines Förderers Bert van Marwijk. Ein Jahr lang verließ der damalige Shootingstar das gemachte Bett und kickte stattdessen auf Leihbasis unter van Marwijks Ägide für Feyenoord Rotterdam. Dort wurde er zum Stammspieler und schließlich niederländischer Pokalsieger.

In diesem Sommer, nach dem Ende der kurzen Ära von Thomas Doll und pünktlich zum Dienstbeginn von Jürgen Klopp kehrte der Meinerzhagener in den „Pott“ zurück und hat sich mittlerweile zur ernsten Alternative für die Startelf entwickelt.

RevierSport sprach mit dem 20-Jährigen, der in den letzten Tagen mit der Türkei um ein Ticket für die WM 2010 kämpfte, über persönliche Reife, Erwartungsdruck und Zukunftschancen.

Nuri Sahin, sie waren am vergangenen Samstag beim 2:1-Erfolg über Bosnien-Herzegowina dabei, standen auch gestern im Kader gegen Estland. War es nach der überaus erfolgreichen Europameisterschaft Ihres Landes schwer für Sie, wieder im A-Team Fuß zu fassen?

Nein, die EM ist abgehakt und vorbei. Ab jetzt schauen wir nur auf die Qualifikation für Südafrika. Natürlich haben die Akteure, die in der Schweiz und Österreich dabei waren, Selbstbewusstsein tanken können, doch das konnte ich in den letzten Wochen beim BVB auch. Ich bin deshalb sehr optimistisch und positiv, was meine Zukunft in der Nationalelf angeht. Es wird sicher nicht leicht, weil wir über sehr viele gute Spieler verfügen. Aber ich habe gezeigt, dass ich mithalten kann.

Hat keinen Grund, grimmig drein zu schauen: Nuri Sahin.

Fatih Termin, der türkische Nationaltrainer, gilt als größer Förderer von Ihnen. Haben Sie mit ihm schon über Ihre Zukunftsperspektiven gesprochen?

Wir haben in letzter Zeit kein Einzelgespräch geführt, aber das ist auch nicht zwingend nötig. Ich bin jetzt seit drei Jahren dabei, der Trainer kennt mich und ich weiß, was er von mir hält.

Sie sind noch immer der jüngste A-Nationalspieler aller Zeiten in der Türkei. Werden Sie deshalb von der Öffentlichkeit mit Argusaugen beobachtet?

Es ist generell so, dass man in der Türkei als Profi stark beachtet wird und im Fokus steht. Ich denke aber auch, dass das noch extremer wäre, wenn ich selbst in der Türkei spielen würde. Natürlich ist die Erwartungshaltung für die Zukunft sehr hoch, aber das gilt für alle jungen Spieler. Mir treten die Menschen jedenfalls immer sehr positiv gegenüber. Ein Spieler bewegt die türkische Öffentlichkeit besonders, obwohl dieser noch keine Minute für Ihr Land absolviert hat: Mesut Özil. Leisten Sie bei ihm Überzeugungsarbeit, damit er sich, genau wie Sie damals, für die Türkei entscheidet?

Bei mir war die Lage ja etwas anders, denn ich hatte nie für Deutschland, sondern von Beginn an für die Türkei gespielt. Meine Entscheidung war deshalb auch nie ein großes Thema wie jetzt bei Mesut. Er ist ein guter Freund von mir und ein sehr guter Fußballer. Ich würde mich natürlich freuen, wenn er sich für die Türkei entscheidet, aber ich betrachte die Situation von außen und werde ihm sicher nicht hereinreden. Das ist allein seine Entscheidung.

Lassen Sie uns auf dem BVB schauen. Sie hatten einen schweren Start, wurden durch eine Verletzung, die sie aus Rotterdam mitbrachten, in der Vorbereitung ausgebremst. Mittlerweile haben Sie sich jedoch etabliert und sind nah dran an der ersten Elf. War es die richtige Entscheidung, nach Dortmund zurückzukehren?

Ja, das war es. Ich habe vom ersten Tag an in Rotterdam gesagt, dass ich mich ein Jahr weiterentwickeln und dann zurückkommen möchte. Das war das gemeinsame Ziel von mir, meiner Familie, meinem Berater, aber auch von Michael Zorc und Hans-Joachim Watzke. Ich konnte in Rotterdam viele Spiele machen, aber es war jetzt auch absolut richtig, wieder hierher zu kommen.

Also würden Sie im Rückblick sagen, dass es ebenso richtig war, Dortmund für ein Jahr den Rücken zu kehren und den Sprung in ein neues Umfeld zu wagen?

Das Problem in Dortmund war, dass ich zwar in vielen Spielen zum Einsatz kam, aber insgesamt nicht viele Minuten auf dem Platz stand. Bei Rotterdam wusste ich hingegen, dass ich auflaufe, wenn ich die entsprechende Leistung zeige. Ich konnte dort selbst viel Selbstbewusstsein tanken. Auch, weil ich einige wichtige Tore erzielt habe. So etwas nimmt man natürlich mit für die Zukunft.

In Rotterdam merklich gereift: Nuri Sahin.

Würden Sie sagen, dass Sie nicht nur sportlich, sondern auch als Persönlichkeit gereift sind?

Ja, mit Sicherheit. Michael Zorc kann das sicher am besten beurteilen, und er hat mir bestätigt, dass ich als Person viel reifer bin als noch vor einem Jahr. Und auch ich fühle mich so.

Noch immer lastet ein enormer Druck auf Ihrer Person. Nach Ihrem kometenhaften Aufstieg galten Sie als Wunderkind, das den ganzen Verein retten sollte. Können Sie heute mit dieser Situation besser umgehen?

Es war damals ja so, dass extrem viel über mich geschrieben wurde und sich diese Erwartungshaltung auch deshalb so stark aufgebaut hat. Ich dagegen habe immer gesagt, dass ich kein Wunderkind bin, sondern noch in der Entwicklung stecke. Natürlich übernehme ich auf dem Platz Verantwortung, aber niemand kann ernsthaft erwarten, dass ich jedes Match drehe. Ich brauche Zeit, um Konstanz rein zu bekommen. Denn es gibt auch jetzt noch Phasen, in denen es nicht so gut läuft, das ist normal.

Obwohl Sie erst 20 Jahre alt sind, gelten Sie bei vielen bereits als „alter Hase“, weil Sie schon so lange dabei sind.

Ich wurde eigentlich nie als junger Spieler gesehen, auch mit 16 nicht. Damals war ich kein 16-Jähriger, sondern Stammspieler beim BVB, entsprechend viel wurde erwartet. Aber damit kann ich gut umgehen.

Mit Jürgen Klopp arbeitet jetzt ein Trainer bei der Borussia, der Ihnen entgegenkommen dürfte. Er setzt auf die Jugend und will die ganze Philosophie des Vereins dahingehend ändern. Wie ist Ihr Eindruck nach den ersten knapp 100 Tagen Ihrer Zusammenarbeit?

Ich finde es sehr gut, was er macht. Denn er will nicht nur junge Spieler, sondern einen guten Mix und hat seinen Kader dahingehend zusammengestellt. Die Arbeit mit ihm macht sehr viel Spaß, er ist kommunikativ und spricht sehr viel mit uns. Nach dem Hannover-Spiel kam er beispielsweise zu mir und ist mit mir einige Szenen durchgegangen. Daran merkt man, dass man ernst genommen wird. Und es hilft einem dabei, sich weiterzuentwickeln.

Für die Entwicklung Ihres Teams, gerade auch der jüngeren Spieler, wäre es wichtig gewesen, im Uefa-Cup weiterzukommen, um zusätzliche Erfahrungen zusammeln. Entsprechend geknickt waren Sie nach dem Aus. Wie gehen Sie heute damit um?

Ich muss sagen, dass die Enttäuschung noch schlimmer wurde, als ich die Gruppenauslosung gesehen habe. Wenn man sieht, was da für Teams dabei sind, merkt man, dass die Qualität dieses Jahr sehr hoch ist. Für uns junge Akteure gibt es nicht besseres als international zu spielen. Wir konnten in diesem Jahr ein wenig hereinschnuppern. Das Ziel muss es sein, dass auch in Zukunft wieder zu schaffen.

Immer noch enttäuscht über das Uefa-Cup-Aus: Nuri Sahin.

Momentan sieht es gut aus, Sie liegen auf Rang sechs, trotz eines schweren Auftaktprogramms. Ist der BVB schon wieder reif für einen Angriff auf die internationalen Plätze?

Das muss man abwarten. Ich denke schon, dass wir qualitativ stark sind. Aber es wäre nicht gut zu sagen, dass wir unter die ersten Fünf kommen wollen. Wir sind sicher reifer als in den letzten beiden Jahren, aber ich sehe es so wie Alex Frei. Wenn wir am 29. oder 30. Spieltag immer noch oben dran sind, können wir mit dem Träumen anfangen. Jetzt noch nicht.

Am Wochenende wartet Werder Bremen auf Sie. Sorgen Sie sich darum, dass die Euphorie im Umfeld im Falle eines Sieges schon wieder in den Himmel wachsen könnte?

Ich finde es eigentlich gut, wenn die Fans euphorisch sind. Und für uns gilt, dass uns der Trainer und auch einige erfahrene Spieler aus unseren Reihen auf dem Boden halten. Es wird deshalb nicht passieren, dass wir uns von der Stimmung im Umfeld beeinflussen lassen und abheben.

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