Der 11. Juli 2017 ist kein normaler Tag beim VfL Bochum. Eine kurzfristige Pressekonferenz wird anberaumt, neben dem ehemaligen VfL-Sportvorstand Christian Hochstätter tritt ein junger Mann vor das Plenum. Er hat ein blau-weißes Hemd an, das Sakko ist lässig übergestreift. Er pustet kurz durch, auf seinem Gesicht, das mit einem Drei-Tage-Bart bedeckt ist, ist ein breites Grinsen zu erkennen. An diesem Tag wird Ismail Atalan als neuer Trainer in Bochum vorgestellt. Das ist nun mehr als ein halbes Jahr her. Atalan ist längst kein Trainer mehr an der Castroper Straße. Insgesamt war er nur 91 Tage Cheftrainer beim Chaosklub. Und dennoch kann der 37-Jährige noch nicht vollständig mit seinem alten Arbeitgeber abschließen.
Die Ausgangslage war nicht wirklich ideal
Ismail Atalan
Im "Kicker TV-Talk" gab Atalan nun Einblick in seine Gefühlswelt nach der Entlassung. "Das war sehr schwierig für mich, obwohl ich nur drei Monate dort war", sagt er. "Ich habe auch immer noch sehr viel Kontakt zu Mitarbeitern und Spielern des Vereins." Vor allem aber macht sich Atalan Gedanken über die andere Leute. Über Menschen, die durch die aktuelle Negativserie des VfL Bochum um ihren Job bangen müssen. "Die Situation momentan ist nicht schön. Bei einem Abstieg sind Arbeitsplätze in Gefahr. Ich weiß, wie die Leute an dem Verein hängen. Ich telefoniere oft mit ihnen und kann da nur mitfühlen", erzählt Atalan.
Doch was waren die Gründe für sein schnelles Aus in Bochum? "Es war natürlich nicht hilfreich, erst zum Ende der Vorbereitung zum Verein zu stoßen, wodurch ich unter anderem kaum Einfluss auf die Zusammenstellung des Kaders nehmen konnte", sagt Atalan im Interview mit "transfermarkt.de" und ergänzt: "Man hat mir die Zielstellung Aufstieg von Beginn an mitgeteilt. Das war so auch in Ordnung für mich. Ich nehme mich da auch nicht raus, die Ausgangslage war jedoch nicht wirklich ideal. Die Bedingungen müssen einfach von vorne bis hinten stimmen, um die an das Team gestellten Erwartung mit in die Saison zu nehmen."
So kann ich eine Situation, wie ich sie in Bochum erlebt habe, im Ansatz ausschließen
Ismail Atalan
Atalan hegt keinen sichtbaren Groll gegen seinen ehemaligen Klub. Was vorherrscht, ist die Enttäuschung darüber, wie mit ihm nach der Entlassung umgegangen wurde. "Es ist nicht schön, solche ungerechtfertigten Vorwürfe über sich in der Presse zu lesen. Im Nachhinein ist es dann nicht angebracht, dass man schlecht über den jeweils anderen redet und daran halte ich mich auch", erklärt er. "Die Zeit in Bochum war lehrreich für mich und hat mich in meiner Entwicklung nach vorne gebracht. Wenn man ständig Sachen liest, die nicht der Wahrheit entsprechen und sein Name öffentlich diskutiert wird, dann merkt man, dass man sich selbst treu bleiben muss. Das ist keine einfache Situation."
Doch die Station in Bochum war auch eine sehr lehrreiche Zeit für den noch recht unerfahrenen Trainer. "Man bekommt als Trainer häufig einfach immer weniger Zeit sich zu beweisen, und wenn es dann nicht läuft, heißt es gerne mal: 'Lass uns doch mal den Trainer wechseln'. Aber damit macht man es sich, meiner Meinung nach, zu einfach", sagt Atalan. "Ich habe bei meinen vorherigen Stationen bisher mit langfristigem Erfolg gearbeitet, auch die Zeit in Bochum war lehrreich und hat meine Entwicklung positiv beeinflusst. Es gab Angebote, die ich abgelehnt habe, auch weil ich nun vorab genauer prüfe, ob es wirklich passt. So kann ich eine Situation, wie ich sie in Bochum erlebt habe, im Ansatz ausschließen."