In der Bundesliga fünf Spiele, fünf Siege, 15:1 Tore. In der Champions 5:0 gegen Rostow. Supercup gewonnen, im DFB-Pokal weiter. Aber hat Bayern brilliant gespielt?
Wir erinnern uns an Ancelottis Vorgänger Pep Guardiola. Seine Spielweise: totale Dominanz, jeder Quadratmeter Rasen proklamiert und überwacht. Zwangsläufig fielen die Tore. Die Leistungskurve nahm jedesmal in seinen drei Jahren denselben Verlauf. Bestens vorbereitet, legte die Guardiola-Mannschaft los wie die Feuerwehr; spätestens im Frühjahr ging den Bayern die Luft aus.
Im Frühjahr war nämlich der Zeitpunkt erreicht, dass (a) die eigene Mannschaft körperlich ihr Limit erreichte und (b) Gegner den Guardiola-Code geknackt hatten. Wolfsburg, Augsburg, Freiburg und Mönchengladbach haben das geschafft. Und die Gegner dreimal im Halbfinale der Champions League. Im roten Bereich half Bayern auch die individuelle Klasse nicht.
Bei Ancelotti ist noch kein Code zu erkennen. Wofür steht sein Fußball? Vielleicht macht das den Italiener so gefährlich. Beim 3:1 gegen Ingolstadt und beim 1:0 in Hamburg waren die Bayern einem Punktverlust näher als dem Sieg — und haben trotzdem gewonnen. Nicht überzeugend, aber nachvollziehbar. Wer einen Ribery einwechseln kann, hat den HSV nicht zu fürchten.
Mittwochabend werden wir in der Champions League den endgültigen Bruch mit der Guardiola-Ära erleben. Mag der Saisonstart auch nicht begeisternd begonnen haben: Gegen Atletico Madrid wird Carlo Ancelotti sein Team wieder ganz italienisch auf- und einstellen — Hauptsache gewinnen. Spielanteil, Packing-Quote, Zonen-Fußball: Alles wurscht. Hauptsache gewinnen.
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Überragende Mannschaften zeichnet immer aus, dass sie in Krisenmomenten zu wahrer Größe wachsen. Vor dem Champions League Sieg 2001 hat Bayern in der Zwischenrunde 0:3 in Lyon verloren. Vor dem Champions League Sieg 2013 mussten die Superstars Robben und Ribery ihren Zwist in der Umkleidekabine überstehen, bevor das Triple zur Sportgeschichte werden konnte.
Darum ist es für Ancelotti gar nicht schlecht, wenn der Motor noch etwas ruckelt. Für die Bundesliga reicht der Kader allemal. Mehr als drei Punkte kann man in einem Spiel nicht holen. Seine Bewährungsprobe findet eh in der Champions League statt. Nicht irgendwann, sondern gleich Mittwochabend gegen Atletico Madrid. Selbst wenn es schiefgeht: Die Bayern-Saison entscheidet sich im Frühjahr.
Atletico Madrid — das ist die Mannschaft, gegen die Pep Guardiola im Frühjahr 2016 besonders schlau sein wollte und seine Stars im Hinspiel schonte. Im Rückspiel konnte Bayern München das 0:1 nicht mehr wettmachen. Auf solche Spielchen wird sich der Pragmatiker Ancelotti nicht einlassen.