RWO

Terranova mobilisiert ganz Oberhausen

Er ist eine rot-weiße Kultfigur. Möglicherweise der größte Publikumsliebling der jüngeren Oberhausener Vereinsgeschichte. Wenn Mike Terranova am Samstag das Stadion Niederrhein erstmals als Cheftrainer der ersten Mannschaft betritt, kann er sich der Sympathien der RWO-Fans sicher sein. 226 Spiele absolvierte der Deutsch-Italiener von 2006 bis 2013 für die Kleeblätter. Er führte den Klub mit all seinem Kampfgeist und seinen Toren in die 2. Bundesliga. Dafür wird er bis heute vom Anhang als "Fußballgott" verehrt. Sogar ein Lied wurde für den 39-Jährigen produziert.

Nach seiner aktiven Laufbahn blieb er seinem Herzensverein als Trainer in verschiedenen Teams erhalten. Nun ist Terranova ganz oben gelandet und soll ihn aus einer schweren Krise führen. Seine Strahlkraft könnte den Rot-Weißen dabei helfen, die zuletzt äußerst kritischen Fans zurückzugewinnen. Im Interview vor seiner Premiere gegen die U23 des FC Schalke 04 (Samstag, 14 Uhr) nimmt der "Fußballgott" die Fans in die Pflicht und spricht über seine große Aufgabe als RWO-Trainer.

Mike Terranova, vor drei Jahren haben Sie Ihre erfolgreiche Karriere in Oberhausen beendet, nun sind Sie Cheftrainer bei RWO. Wie fühlt sich das an? Ich habe hier die höchste Stufe erreicht. Das ist natürlich ein tolles Gefühl. Es ist schön für mich, dass es so schnell gegangen ist. Ich freue mich sehr auf diese Aufgabe. RWO ist mein Verein.

Wie haben Sie reagiert, als der Vorstand Ihnen den Job angeboten hat? Mussten Sie eine Nacht drüber schlafen? Nein, überhaupt nicht. Für mich war sofort klar, dass ich es machen werde. Der Verein braucht mich, also sehe ich es als Pflicht und Ehre an, diese Aufgabe anzunehmen.

Andreas Zimmermann musste nach vier Spielen gehen. Waren Sie überrascht, dass es so schnell gegangen ist? Ich habe immer gehofft, dass es Andreas mit der Mannschaft schafft. Ich halte ihn vor allem fachlich für einen sehr guten Trainer und ich durfte in unserer gemeinsamen Zeit viel von ihm lernen. Ihm hat zuletzt einfach das Glück gefehlt. Wenn die ersten beiden Großchancen gegen Ahlen reingehen, wäre es wohl nicht zu einer Trennung gekommen. Aber so ist der Fußball. Das kann auch mir in Zukunft passieren. Irgendwann muss der Verein reagieren. Damit müssen wir Trainer leben.

Mich interessiert es nicht, dass jemand gut bei den Fans ankommt. Dafür erhält er keinen Freifahrtschein

Mike Terranova über Raphael Steinmetz

Die Mannschaft wirkte in den letzten Meisterschaftsspielen stark verunsichert. War in dieser Woche der Psychologe Terranova gefragt? Das kann man so sagen. Ich habe wirklich sehr viele Gespräche geführt, speziell mit den jungen Leuten und unseren Stürmern. Im Fußball spielt sich sehr viel im Kopf ab. Eine mentale Blockade verhindert gute Leistungen. Meine Aufgabe ist es zunächst, diese Blockade zu lösen. Ich habe als Spieler sehr viel erlebt und diese Erfahrung möchte ich einbringen, um den Jungs zu helfen. Das Wichtigste wird sein, dass wir schnell wieder ein Erfolgserlebnis feiern. Wie das zustande kommt, ist egal. Jeder Trainer macht ohnehin gewisse Dinge anders. Wenn wir Erfolg haben, spielt das keine Rolle. Dann wäre es auch richtig, wenn wir die komplette Woche schwimmen gehen. Aber natürlich habe ich meine eigenen Ideen und werde die auch einbringen.

Wird es am Samstag große personelle Veränderungen geben? Die eine oder andere Umstellung werde ich schon vornehmen. So viel kann ich verraten.

Andreas Zimmermann stand häufig bei den Fans in der Kritik, weil Publikumsliebling Raphael Steinmetz nicht regelmäßig zum Einsatz kam. Welche Rolle spielt Steinmetz in Ihren Planungen? Raphael Steinmetz ist ein junger und talentierter Spieler, der noch sehr wertvoll für uns sein kann und sicher viele Tore machen wird. Aber er wird von mir genauso wie alle anderen Spieler behandelt. Wenn die Leistung nicht stimmt, sitzt er auf der Bank. Mich interessiert es nicht, dass jemand gut bei den Fans ankommt. Dafür erhält er keinen Freifahrtschein. Er muss regelmäßig seine Leistung bringen und der Mannschaft helfen. Dann erübrigt sich jede Diskussion.

Als Spieler waren Sie sehr ehrgeizig und ein Kämpfer. Wie würden Sie sich als Trainer beschreiben? Menschlich habe ich mich nicht verändert. Außerhalb des Platzes kann man viel Spaß mit mir haben. Wenn wir aber trainieren und es ernst wird, kann ich auch ganz anders. Früher habe ich mich während des Trainings mit Dimi Pappas häufig fast geprügelt, danach war alles wieder ok. Es geht nur um den Erfolg des Vereins und dafür muss jeder an die Grenze gehen, sonst kann es mit mir sehr unangenehm werden.

Bei den Fans standen Mannschaft und Trainer zuletzt nicht hoch im Kurs. Gegen Ahlen gab es schon in der Halbzeit Pfiffe. Wie wollen Sie die Anhängerschaft wieder auf Ihre Seite bringen? Ich nehme unsere Fans in die Pflicht. Ich habe mir für den Verein jahrelang den Arsch aufgerissen. Jetzt brauchen wir die Hilfe der Fans. Der Verein hat alles auf Null gestellt, der Trainer musste gehen. Jetzt brauchen wir die Unterstützung aus ganz Oberhausen. Ich appelliere an jeden Einzelnen, dass er über 90 Minuten hinter der Mannschaft und hinter dem Verein steht. Gemeinsam können wir uns aus diesem Loch befreien. Wir hatten zu meiner Zeit auch mal schlechte Phasen, sind aber dennoch zwei Mal aufgestiegen und haben die zweite Liga gehalten. Wenn die Fans hinter der Mannschaft stehen, wird auch der eine oder andere Spieler wieder explodieren. Davon bin ich überzeugt.

Nach vier Spielen steht RWO mit null Punkten und null Toren am Tabellenende. Was ist angesichts dieses desolaten Starts noch drin im weiteren Saisonverlauf? Zunächst einmal müssen wir uns der Gegenwart stellen. Und die zeigt uns auf, dass wir uns im Abstiegskampf befinden. Über weitere Ziele machen wir uns jetzt keine Gedanken. Das wäre der falsche Weg. Wir konzentrieren uns nun voll auf Schalke. Dann sehen wir weiter.

Sie sind nun zum Regionalliga-Trainer aufgestiegen. Träumen Sie davon, irgendwann im Profibereich zu trainieren? Daran verschwende ich überhaupt keinen Gedanken. Ich bin in Oberhausen zu Hause und ganz tief verwurzelt. Was würde mir ein Angebot aus der zweiten oder dritten Liga bringen? Ich verdiene für ein oder zwei Jahre gutes Geld, bekomme dann vielleicht schnell den Arschtritt und muss mit meiner Familie umziehen. So ist das Trainergeschäft leider. Aber für mich zählt nur Oberhausen. Ich will hier nicht weg.

In Oberhausen sind Sie schließlich der "Fußballgott". Werden Sie privat auch so genannt? Meine Frau nennt mich ab und zu so, wenn sie mich auf den Arm nehmen möchte. Grundsätzlich höre ich es nicht gerne. Aber wenn es die Fans so möchten, nehme ich natürlich gerne so hin.