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Vogelheimer "Sporttreff"
Postronauten beerben Rot-Weiss Essen

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Vogelheimer "Sporttreff": Postronauten beerben Rot-Weiss Essen
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Sonntags, 6.30 Uhr an der Vogelheimer Straße 232 in Essen: Wenn die Partybiester langsam zurück in ihre eigenen vier Wände finden, wird am Kiosk von Jörg-Peter Habraschke schon analysiert.

„Haste gestern deine Zecken gesehen?“, „Hör‘ mir auf mit denen. Aber deine Blauen waren auch nicht besser“, „Watt haben eigentlich die Roten gemacht?“ So beginnen die Gespräche zwischen den Essener Amateurfußball-Ikonen Freddy und Jürgen Bartilla sowie José Abeijon jeden Sonntag, an 52 Tagen im Jahr, an der Bude „Zum Sporttreff“.

Habraschke freut es. Er hat sein Stammpublikum gefunden und kann sich auf die Jungs verlassen. „Sie sind immer hier und kaufen mir den leckeren Kaffee und die Brötchen ab. Ohne die Jungs hätte ich es sehr schwer. Sie sind ja auch unter der Woche immer da. Das ist quasi ein Treffpunkt der Vogelheimer Fußballlegenden“, erklärt der 35-jährige Kiosk-Inhaber.

Horst Hrubesch und das Mickey-Maus-Heft

Habraschke selbst führt den Laden in der dritten Generation und hat eine ganz besondere Bindung zu diesem Ort. Seine Eltern haben den „Sporttreff“ nämlich ins Leben gerufen und der machte seinem Namen alle Ehre. Ende der 70er Jahre war die Mannschaft von Rot-Weiss Essen um „Kopfball-Ungeheuer“ Horst Hrubesch Stammgast bei den Habraschkes. Die RWE-Profis wurden von Mutter Helga mit gepflegter Hausmannskost verwöhnt und Vater Peter lebte den Traum eines jeden Fans – er hatte seine Idole Tag für Tag ganz nah bei sich. „Mein Vater war ein großer RWE-Fan. Eines Tages war Hrubesch bei uns im Laden und wollte ein Mickey-Maus-Heft kaufen. Mein Vater verstand sich auf Anhieb mit dem Horst und irgendwie entstand so die ganze Geschichte. Meine Mutter war die Köchin und mein Vater eine Art Betreuer für die Rot-Weissen“, erinnert sich Habraschke Junior, der aus der damaligen Zeit auch einen populären Patenonkel hat – Horst Hrubesch.

Postronauten beerben Rot-Weiss Essen

Heute ist die „Kirchen-Bude“, wie sie in Anlehnung zu der Nähe der St. Thomas Morus Pfarrei auch genannt wird, zwar nicht mehr von Spielern des benachbarten Regionalligisten Rot-Weiss Essen besucht, sondern ist viel mehr eine Anlaufstelle für Jürgen, Freddy, José und Co. „Unser sonntäglicher Treff entstand in etwa vor 15 bis 20 Jahren. Das Ding wurde mal unserem Kumpel Andreas Mühle verpachtet und so begann alles. Seitdem treffen wir uns von 52 Sonntagen im Jahr mindestens 48 Mal hier“, betont Abeijon. „Und wenn jemand mal zwei Sonntage hintereinander nicht hier war, dann werden die anderen Bekloppten, die hier stehen schon unruhig“, lacht Freddy Bartilla.

„Aba“ und Freddy sind dicke Kumpel und haben Vieles gemeinsam. Sie gehören zu den besten Essener Amateurkickern, die es je gab. Beide haben unter anderem für die Turngemeinde Essen-West gespielt und Mitte der 80er sogar Rot-Weiss Essen (1:0) aus dem Niederrheinpokal gekickt – auf Asche an der Haedenkampstraße. „Das waren die geilsten Zeiten überhaupt. Da war jeder Sonn- ein Feiertag. Wir haben nach den Spielen herumgesessen und uns die beklopptesten Dinge erzählt. Es war einfach genial mit den Jungs zusammenzusitzen. Es wurde immer spät, denn niemand wollte nach Hause gehen. Heute hauen die Rotzigen doch nach jedem Training sofort ab. Manche haben nicht mal Zeit zum Duschen – Hauptsache weg. Das macht uns traurig. Aber es ist auch generationsbedingt. Da kann man nichts ändern“, sagen die aktuellen Sportlichen Leiter des Landesligisten Vogelheimer SV (José Abeijon) und des A-Ligisten Sportfreunde Altenessen 1918 (Freddy Bartilla).

Spruch des Tages: "Sascha Mölders hat hier als Kind immer sein Wassereis gekauft. Später kamen dann Zigaretten hinzu." Das sagt Jörg-Peter Habraschke über den Augsburger Profi, der ebenfalls zu seinen Promikunden gehört. Der Vogelheimer Junge Mölders ist unweit des Kiosks „Zum Sporttreff“ aufgewachsen und besucht Habraschke immer noch, wenn er bei seinen Eltern in Vogelheim weilt.

Gemeinsam waren „Aba“ (50) und Freddy (58) schon immer stark. Neben dem Coup über Rot-Weiss Essen landeten die Vollblutfußballer in den 80er Jahren ein anderes dickes Ding. In der damaligen Turnhalle am Essener Gildehof siegten sie als „die Postronauten“ bei einem Hallenturnier unter 132 Freizeit-Mannschaften und durften als Belohnung für vier Tage nach Norderney verreisen. Viel interessanter als der Sieg ist das Zustandekommen des Erfolgs. Das Finale wurde nämlich an einem Sonntag ausgetragen – dem heiligen Spieltag der Amateurligen. Abeijon und Bartilla bestritten ihre Spiele mit der Turngemeinde bereits am Samstag, aber Tormaschine und Ex-Profi Jürgen Bartilla, der nach seiner Station bei Fortuna Bredeney als Profi in der Schweiz spielte, musste am Sonntag ran. Was machte „Jogi“ Bartilla? „Er hatte plötzlich Muskelbeschwerden“, lacht Freddy und schiebt nach: „Er hat die Postronauten am Sonntag am Gildehof zum Turniersieg geschossen und am Montag war er ohne Verein.“ „Aba“ und Freddy“ wurden von ihrem Klub ebenfalls bestraft. Bartilla erzählt: „Wir wurden für einige Wochen gesperrt. Weil wir uns am Sonntag erholen und nicht an einem Kuddel-Muddel-Turnier teilnehmen sollten. Aber das war uns so was von scheißegal.“ Damit Harald Kaminsky, damaliger Trainer von TuRa 86 Essen, am Final-Sonntag spielen konnte, musste ein Tor an der Serlostraße herhalten. „Das Ding wurde zufällig abgesägt, so dass Haralds Partie ausfiel und er für uns kicken konnte“, erinnert sich „Aba“.

Habraschkes Kiosk „Zum Sporttreff“ – ein Ort der Anekdoten, inklusive Nostalgie und etwas Wehmut – Sonntag für Sonntag treffen sich die Bartillas, „Aba“ und andere ehemalige Essener Amateurfußball-Größen aus Vogelheim und Umgebung zum Schwelgen in der Vergangenheit. Für die Mitglieder der „Postronauten“ ist der Ort ein Heiligtum – genau wie die Kirche, die nur einen Steinwurf weiter entfernt vom „Sporttreff“ steht. „Im Amateurfußball ist fast nichts mehr so, wie es mal früher war. Wir haben uns mit unserem sonntäglichen Treffen noch etwas bewahrt. Klar ist aber auch, dass man schon ein Stück weit bekloppt sein muss, um hier jeden Sonntag um 6.30 Uhr zu stehen. Aber wir können gar nicht mehr anders. Das ist einfach ein magischer Ort für uns. Ich will gar nicht darüber nachdenken, wenn es Jörg-Peter und seinen Kiosk nicht mehr geben würde“, sagt Abeijon. Ähnlich dürfte es Habraschke gehen. Der auch am kommenden Sonntag die „Postronauten“ ab 6.30 Uhr gerne mit Kaffee und Brötchen versorgen wird...

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