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Die lizensierte Intransparenz

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Sportwett-Konzessionen sorgen für Verwirrung
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Kaum einer der heutigen Erfolgsfans der jüngeren Generation kennt noch das Toto-Spiel. Das staatliche Fußball-Tippspiel hatte in der Wirtschaftswunderzeit des letzten Jahrhunderts seinen Ursprung und gilt bis heute als eine eher unschuldige Beschäftigung, die dem Fußballvergnügen einen Mehrwert gab, der die Leidenschaft für das runde Leder neben Sportzeitung, Stadionwurst und Bier vollendete.

Das Wettgeschäft des kleinen Mannes zielte weniger auf den Riesen-Geldgewinn, sondern verstärkte vielmehr das Glücksgefühl des real gewordenen Fußball-Sachverstandes. Das Mitfiebern im Stadion bekam eine zusätzliche Färbung, die zumeist überschaubare Gewinn-Ausschüttung danach war am Ende eher nebensächlich.

Die Zeiten haben sich geändert. Die Fußball-Unterhaltung ist genauso global geworden wie die kommerziellen Auswüchse des Geschäftes. Manipulation und Spielsucht hat es inmitten dessen immer gegeben. Dass vor allem aber Suchtprävention im Jahr 2008 als Begründung für mehr staatliche Kontrolle herhalten musste, um private Wettanbieter eines offenen globalen Marktes indirekt aus dem deutschen Handelsplatz zu drängen, war unbestritten eine Farce. Die Rechnung der Monopol-Fetischisten war unsauber, unehrlich und ging nicht auf. Eine Regulierung musste alleine aufgrund europäischer Rechtsprechung erfolgen. So langatmig sich das anschließende Vergabeverfahren unter Federführung des mitunter überfordert agierenden Innenministeriums Hessens hinzog und die Definition eines angeblich ethisch korrekten, aber undurchsichtigen Anforderungskataloges über gefühlte Jahre diskutiert wurde, so plötzlich erwischte die vorläufige Lizenzvergabe die mittlerweile desillusionierte Sportszene und vor allem vier Schwergewichte der Wettbranche am vorgestrigen Dienstag ziemlich kalt.

Ranking des hessischen Innenministeriums zur "vorläufigen" Konzessions-Vergabe:

1. Cashpoint Ltd. 2. Admiral Sportwetten GmbH 3. ODS Oddset Sportwetten Deutschland GmbH 4. Oddsline Entertainment AG 5. Primebet International AG 6. Electra Works Ltd. 7. Digibet Ltd. 8. Bet-at-home.com Internet Ltd. 9. Ladbrokes International PLC 10. Bet 90 Ltd. 11. Deutsche Sportwetten GmbH 12. Personal Exchange International Ltd. 13. Polco Ltd. 14. Intermedia GmbH 15. Bernd Hobiger Wettbüro Goldesel 16. Ruleo Alpenland GmbH 17. Racebets International Gaming Ltd. 18. Albers Wettbörsen Deutschland oHG mbH 19. IBA Entertainment Ltd. 20. Star Sportwetten GmbH (Quelle: SPONSORs)

Der im Markt sehr präsente und stark werbegetriebene Anbieter Tipico, der weltweit führende britische Buchmacher Bet365, das ebenfalls aus England stammende Traditionshaus Chandler mit der Marke BetVictor und die seriöse, als Online-Pioniere geltende und 1990 in Wien gegründete Interwetten haben neben etlichen anderen meist wesentlich kleineren Aspiranten keine Konzession erhalten. Dies muss in Anbetracht der Bewerberflut und der begrenzten Startplätze nicht verwundern. Mit Blick auf die tatsächlich (wenn auch nur vorläufig) Begünstigten ist es allerdings mehr als erstaunlich, dass bislang inaktive bis nahezu unbekannte Anbieter wie Ruleo Alpenland oder die Intermedia GmbH einen Zuschlag bekamen. Noch fehlende Begründungen, eine Vielzahl an Gerüchten und das ebenso wie die Punktevergabe kaum nachvollziehbare Gesamtverfahren der Zuteilung wirft eine Menge an Fragen auf.

Giganten bleiben außen vor, kleine Wettbuden mit Lizenz

Womit haben die No-Name-Wettbuden – wie im übrigen auch einige eher krude Anbieter – mehr Punkte im Bewerber-Wettstreit und somit das Recht erworben, von staatlicher Seite fortan geschützt zu werden, wenn Giganten wie bspw. Tipico das recht enge Netz an Offline-Wettbüros weiterführen werden? Wie gehen die Behörden mit Online-Anbietern um, die keine neue, deutsche Lizenz erhielten, aber weiterhin aus dem Ausland operieren oder auf die erworbene Lizenz Schleswig-Holsteins pochen? Wie können Geldflüsse und Werbemaßnahmen sinnstiftend kontrolliert werden? Wie ist es möglich, dass derart arrivierte und gewachsene Firmen wie Bet365 und Interwetten im Bewerbungsverfahren solche Fehler begingen, dass man einen landläufig unbekannten Mini-Buchmacher wie Star Sportwetten aus Innsbruck im Top20-Ranking nicht hinter sich lassen konnte? Dass die halbstarken, weil halbstaatlichen Anbieter wie Oddset oder Deutsche Sportwetten GmbH (mit der Telekom und der staatlichen Österreichischen Sportwetten GmbH als Gesellschafter) ihre Hausaufgaben machen würden, war zu erwarten. Dass Cashpoint als Sportwettenableger des Glücksspiel-Imperiums Gauselmann/Merkur als Punktsieger das Ranking auf Rang 1 von 20 anführt, wirkt dann schon wieder seltsam. Es riecht ein wenig nach Lobbyismus, was da die unklaren Entscheidungsprozesse der hessischen Behörde vernebelt.

Es gilt daher als sicher, dass eine Klagewelle das Ministerium in Wiesbaden überrollen wird. Es gilt vor diesem Hintergrund zudem als äußerst wahrscheinlich, dass eine sinnvolle Regulierung des Marktes noch Monate wenn nicht Jahre auf sich warten lässt. Die Grauzone dieser zu erwartenden Entwicklung kommt vielen privaten Anbietern recht, denn mit Online-Casino und Offline-Filialen in schmuddeligen Häuserzeilen verdienen die meisten Anbieter viel mehr als mit gedeckelten Monatseinsätzen leidenschaftlicher Fußball-Fans. Folgerichtig brachte es der Marketingleiter eines europäischen Wettanbieters mit Blick auf die Branche gegenüber RevierSport auf den Punkt: „In Wirklichkeit will keiner eine Lizenz, aber niemand will derjenige sein, der am Ende keine Lizenz hat.“ Wir wollen ehrlich sein: Diese Sportzeitung würde als Teil des Systems am Ende auch lieber für coole Sportwetten werben (dürfen), denn Toto spielen will ja auch keiner mehr. Leider.

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